"Tödliche Signale" von Putin, die Prigoschin ignorierte

In den Tiefen der russischen Politik, wo Macht und Geheimnisse oft Hand in Hand gehen, war Jewgeni Prigoschin eine Figur von besonderer Bedeutung. Als Kopf der berüchtigten Wagner-Gruppe, einer privaten Söldnertruppe, die in Konflikten von Syrien bis Zentralafrika operierte, war er für viele der verlängerte Arm des Kremls in den Schattenkriegen Russlands. Doch sein Tod bei einem Flugzeugabsturz wirft ein grelles Licht auf die komplexen Beziehungen und Spannungen innerhalb des russischen Machtapparats.
"Donnerwetter" im Kreml
Wenige Tage nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Söldner Ende Juni soll es im Kreml zu einem denkwürdigen Treffen zwischen Präsident Wladimir Putin und dem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin gekommen sein. "Der Präsident hat drei Stunden lang geschrien, einfach geschrien", berichtete das unabhängige russische Nachrichtenportal "Meduza" unter Berufung auf einen Insider. Trotz der scharfen Rüge schien Prigoschin sich sicher zu fühlen, vielleicht sogar "unantastbar". Doch zwei Monate später bestätigten Berichte seinen mutmaßlichen Tod bei einem Flugzeugabsturz.
"Hätte nach Venezuela gehen sollen"
Kritiker innerhalb der Wagner-Gruppe werfen Prigoschin vor, nach dem Treffen mit Putin zu sorglos gewesen zu sein. "Er hätte nach Venezuela gehen sollen, um sich zu schützen", zitiert "Meduza" einen anonymen Wagner-Veteranen. Sicherheitsmängel innerhalb der Gruppe wurden ebenfalls hervorgehoben, insbesondere die Tatsache, dass führende Mitglieder, darunter Prigoschin und Dmitri Utkin, im selben Flugzeug saßen.
"Hätte eine Atombombe an Bord bringen können"
Marat Gabidullin, ein ehemaliger Kommandant von Wagner, kritisierte den Sicherheitsdienst der Gruppe scharf. "Vor deren Augen hätte man eine Atombombe an Bord bringen können, und sie hätten es nicht gemerkt", sagte er.
"Tödliche Signale"
Die genauen Umstände des Absturzes sind noch unklar. Sollte es sich um ein vom russischen Regime orchestriertes Attentat handeln, wird es schwer sein, den Auftraggeber zu identifizieren. Doch die "tödlichen Signale" der letzten Monate deuten darauf hin, dass Prigoschin und Putin auf Kollisionskurs waren und der Wagner-Chef diese wohl nicht ernstnahm.
- 24. Juni: Ein Tag nach dem Beginn des Aufstands der Wagner-Söldner schwört Putin Rache und bezeichnet Prigoschin als "Verräter".
- 1. Juli: Der Kreml entzieht der Wagner-Gruppe die Finanzierung und beendet alle Cateringaufträge für Prigoschins Unternehmen.
- 6. Juli: Russische Sicherheitskräfte durchsuchen Prigoschins Villa. Fotos, die ihn in lächerlicher Verkleidung zeigen, werden veröffentlicht.
- 14. Juli: Putin bestätigt ein Treffen mit Prigoschin und 35 Wagner-Kommandeuren. Er bietet ihnen an, unter neuer Führung weiterzuarbeiten, was Prigoschin ablehnt.
- 27. Juli: Prigoschin zeigt sich beim Afrika-Russland-Gipfel in St. Petersburg.
- 19. August: Putin besucht Rostow am Don und trifft sich mit dem Oberkommando der russischen Streitkräfte für den Ukraine-Krieg.
- 21. August: Ein Video von Prigoschin taucht auf, in dem er in Afrika zu sehen ist und um neue Soldaten wirbt.
- 23. August: Prigoschins Flugzeug stürzt ab.

©APA/AFP/ALEXANDER NEMENOV
Nachfolger von Prigoschin
Die Zukunft der Wagner-Gruppe bleibt indes ungewiss. Andrej Troschew, der als potenzieller Nachfolger von Prigoschin gilt, wird vom Kreml favorisiert, obwohl er innerhalb der Gruppe umstritten ist. Gabidullin kommentierte spöttisch: "Als Troschews Name fiel, mussten sich mehrere Wagner-Kommandanten in der Runde auf die Zunge beißen, um nicht loszulachen".
(VOL.AT)