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Wien ist anders

Die Migrationspolitik in Österreich ist einseitig.
Die Migrationspolitik in Österreich ist einseitig. ©APA/DANIEL SCHARINGER (Sujet)
Gastkommentar von Johannes Huber. Zwei Drittel der Menschen in der Stadt fordern ein rascheres Wahlrecht für Zugewanderte und die automatische Einbürgerung ihrer Kinder. Warum das Nehammer und Kickl egal ist.

Österreichische Migrations- und Integrationspolitik präsentiert sich einseitig. So oder so. Indem sie „Nullzuwanderung“ propagiert und so tut, als gebe es mit den Leuten, die schon hier sind, nur Probleme; oder indem sie gar nicht hinschaut. Schwarz oder weiß also. Schattierungen wie Differenzierungen gibt es kaum.

Umso bemerkenswerter ist, wie sehr ebensolche in der Bevölkerung vorhanden sind. Das zeigt eine Studie, die das Sozialforschungsinstitut SORA im Auftrag der Stadt Wien erstellt hat. Eine Mehrheit der österreichischen, aber auch der nicht-österreichischen Staatsangehörigen, die hier leben, finden, dass es zu viel Zuwanderung gebe. Das Zusammenleben funktionierte zwar gut, meinen sie, die Zuwanderung gehe aber zu weit. Das kann man durchaus nachvollziehen: Zuwanderung in einem Ausmaß, wie es sie seit 20, 30 Jahren gibt, bedeutet immer auch, dass es da und dort nicht genug Wachstum und daher Mangel gibt. Bei günstigen Wohnungen zum Beispiel.

Spannend ist, dass dennoch 78 Prozent betonen, dass man Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten, Schutz bieten muss. Und dass als Indikator für gelungene Integration nicht so sehr gesehen wird, alle Verbindungen zur ursprünglichen Heimat zu kappen, sondern Deutsch zu sprechen, tolerant zu sein und eine Arbeit zu haben.

Überraschend sind die Haltungen zu Einbürgerungen sowie zu Schritten, die in diese Richtung gehen. 52 Prozent sind dafür, zugewanderte Männer und Frauen nach fünf Jahren wählen zu lassen. Wobei das auch bei Bewohnern der Stadt, die keinen Migrationshintergrund haben, von einer relativen Mehrheit von 48 Prozent unterstützt wird (45 Prozent sind in dieser Gruppe dagegen). Und: 68 Prozent, also mehr als zwei Drittel, aller Befragten fordern Kindern zugewanderter Menschen automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben.

Das ist nicht selbstverständlich, trommeln doch ausgerechnet Leute wie Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) tagein, tagaus, dass man bei Einbürgerungen restriktiv bleiben müsse, weil die Staatsbürgerschaft ein hohes Gut sei, das man sich hart erarbeiten müsse. Wobei das mit dem „hohen Gut“ schon richtig ist. Aber wenn man es so versteht, dass es möglichst niemand erreichen soll, dann ist das das Gegenteil von Integrationspolitik; es signalisiert, dass man die Zugewanderten gar nicht haben möchte.

Alles in allem scheint die Mehrheit der Bevölkerung sehr nüchterne Zugänge zu haben: „Ja“ zu Migration in Maßen, selbstverständlich Schutz und Hilfe für Geflüchtete – und wer einmal da ist, der soll nach angemessener Zeit auch mitentscheiden und Österreicher werden können.

Der ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer und der FPÖ von Herbert Kickl wird das jedoch egal sein. Sie werden bei ihrem Kurs bleiben, der mehr oder weniger auf eine Festung Österreich hinausläuft, die sich nach außen hin abschottet und im Inneren möglichst wenig integrativ bleibt. Sie setzen nämlich nicht auf die Menschen in Wien, die diesbezüglich eher sehr viel anders ticken, sondern auf ein ländliches Österreich, in dem Fremde oft fremd sind und man gerade daher in einer Abwehrhaltung verharrt.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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