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Drei Schuldsprüche bei Pflegeheim-Prozess in St. Pölten

Der Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter eines Pflegeheims in Niederösterreich endete mit drei Schuldsprüchen und einem Freispruch.
Der Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter eines Pflegeheims in Niederösterreich endete mit drei Schuldsprüchen und einem Freispruch. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Sujet)
Am Donnerstag endete der Prozess gegen frühere Mitarbeiter eines Pflegeheims in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) mit drei Schuldsprüchen und einem Freispruch.

Zwei Frauen und ein Mann wurden verurteilt, Bewohnern eigenmächtig stark sedierende Medikamente verabreicht zu haben, um sie ruhigzustellen. Sie erhielten teilbedingte Haft im Ausmaß von 21 bis 30 Monaten. Die 39-Jährige wurde freigesprochen. Die Urteile des Landesgerichts St. Pölten sind nicht rechtskräftig.

Drei Schuldsprüche bei Pflegeheim-Prozess in Niederösterreich

Die beiden Frauen und der Mann wurden wegen fortgesetzter Gewaltausübung durch Freiheitsentziehung verurteilt. Die 46-jährige Erstangeklagte wurde auch wegen Quälens und Vernachlässigens wehrloser Personen schuldig gesprochen. Sie erhielt 30 Monate, davon 20 Monate bedingt. Der 36-Jährige wurde zu 24 Monaten, davon 16 auf Bewährung, verurteilt. Die 33-Jährige erhielt 21 Monate, davon 14 bedingt.

Richterin bezeichnete es als "massiv verwerflich"

Die vorsitzende Richterin bezeichnete es als "massiv verwerflich", dass die Angeklagten von der Causa Pflegeheim Kirchstetten wussten, aber trotzdem ähnliche Taten setzten. "Es geht hier um hilfsbedürftige Menschen, die Sie ruhiggestellt haben. Das kann es nicht sein", betonte sie. Um eine "abschreckende Wirkung" zu erzielen, sei ein Teil der Haftstrafen unbedingt zu verhängen gewesen. Als erschwerend wurde bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren die große Anzahl an Angriffen und Opfern gewertet, als mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel.

Angeklagte tauschten sich in "menschenunwürdiger Weise" über Bewohner aus

Angeklagte hatten sich laut der vorsitzenden Richterin "in herablassender und menschenunwürdiger Weise" über Bewohner via WhatsApp ausgetauscht. Wäre es um "Frustabbau" gegangen, hätten sich die Beschuldigten "anders ausgedrückt", meinte sie. In den Chats wurden konkret Namen von Bewohnern und Medikamenten sowie Dosierungen genannt. Zudem wurden Nachrichten zwischen der 33-Jährigen und ihrem Partner als belastend gewertet, die Staatsanwältin sprach von einem "schriftlichen Geständnis". Zahlreiche Zeuginnen berichteten von "sehr müden" Bewohnern. Der Zustand vieler der demenzkranken Opfer hatte sich den Aussagen zufolge gebessert, nachdem das Dienstverhältnis mit den vier Beschuldigten nach Bekanntwerden der Vorwürfe im März 2021 beendet wurde.

Vorsitzende Richterin sprach von einem "massiven Chaos"

Die vorsitzende Richterin sprach von einem "massiven Chaos" bei der Medikamentenverwahrung in dem Senecura-Heim. Sichergestellt wurden zahlreiche Mittel ohne Zuordnung zu Bewohnern. Die Angeklagten hatten laut Staatsanwaltschaft leichtes Spiel, weil es pandemiebedingt monatelang keine oder kaum Besuche von Ärzten oder Angehörigen gab.

ERstangeklagte wurde schuldig gesprochen

Die Erstangeklagte wurde u.a. auch schuldig gesprochen, einen Bewohner kalt abgeduscht und geschlagen zu haben, ihm Parfum in den offenen Mund gesprüht und schließlich für mehrere Sekunden einen Kopfpolster gegen sein Gesicht gedrückt zu haben. Außerdem soll sie einer Frau den Kopf überstreckt, die Nase zugehalten und Wasser in den Mund geschüttet haben. Die Bewohnerin soll mit dem Kopf gegen das Bett geschlagen sein.

Verteidiger der vier Beschuldigten wies sämtliche Vorwürfe zurück

Der Verteidiger der vier Beschuldigten wies sämtliche Vorwürfe im Schlussplädoyer zurück. Der Chatverkehr habe der "Reinigung der Psyche" gedient, meinte der Jurist. Die Anklage beinhalte Vorfälle, "die nicht passieren sollen, aber strafbar ist das nicht".

Zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erfolgten Freisprüche im Zweifel

Die Anklage in der seit Jänner laufenden Schöffenverhandlung bezog sich auf den Zeitraum März 2020 bis März 2021. Zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs sowie zu einem Teil der angelasteten Taten erfolgten am sechsten Prozesstag Freisprüche im Zweifel. Die Privatbeteiligten wurden mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Staatsanwältin und Verteidiger gaben keine Erklärung ab. Damit sind die Urteile nicht rechtskräftig.

Eine Senecura-Sprecherin betonte in einer schriftlichen Stellungnahme am Donnerstag, dass man sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe Konsequenzen gezogen habe. Die Beschuldigten sind nicht mehr für das Unternehmen tätig.

(APA/Red)

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