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"Für Junge ist 1992 antik"

Dachbodenpirat Markus Schwindsackl.
Dachbodenpirat Markus Schwindsackl. ©Sams; handout/privat; Canva Pro
Dachbodenpirat Markus Schwindsackl feiert dieser Tage sein dreijähriges Jubiläum bei "Bares für Rares Österreich". WANN & WO sprach mit ihm über kuriose Funde, die Sehnsucht nach dem Alten – und den Traum vom Fernsehen.

WANN & WO: Welchen Dachboden-Schatz hast du zuletzt gefunden?

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Markus Schwindsackl: Ich habe kürzlich einen Holzspind gefunden, der laut den Informationen des Vorbesitzers aus dem ehemaligen Schindler-Areal in Kennelbach stammt. Er muss etwa aus der Zeit von 1900 bis 1920 stammen. So etwas ist heute selten, weil die Holzspinde später durch solche aus Metall ausgetauscht wurden und die Tischler das Holz weiterverwendet haben. Damals herrschte noch nicht so eine Wegwerfgesellschaft.

WANN & WO: Auch eine Mahnung für die heutige Zeit, in der Ressourcen wieder knapp sind?

Markus Schwindsackl: Genau so ist es: Ein Antiquitätenhändler leistet einen großen Beitrag zur Wiederverwendung. Ich freue mich, wenn mindestens eine weitere Generation Freude an meinen Waren hat und dadurch keine neuen Ressourcen nutzen muss. Mich fasziniert bei alten Möbeln auch immer, wie lange sie halten. Echte Handwerksarbeit ist für die Ewigkeit gemacht.

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WANN & WO: Wenn man sie sich denn leisten konnte.

Markus Schwindsackl: Das stimmt, so ein richtiger, massiver Esstisch kostete auch früher schon sehr viel Geld. Vorarlberg hat auch lange keine reichen Schichten gehabt. Bis zur Industrialisierung. Unter anderem die großen Stickerei-Familien stiegen zum Industrie-Adel auf und leisteten sich auch hochwertigere Einrichtungen.

WANN & WO: Gibt es im Ländle also viel zu holen?

Markus Schwindsackl: In Vorarlberg sind die wertvollen Antiquitäten tatsächlich nicht so breit gestreut. Aber man findet durchaus Stücke aus allen Epochen. Am häufigsten das Bäuer-liche aus dem Bregenzerwald oder dem Montafon.

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WANN & WO: Wer kommt besonders häufig zu dir: Junge, die das Alte entdecken, oder Alte, die sich erinnern möchten?

Markus Schwindsackl: Es kommen im Grunde drei Gruppen: Junge, die bewusst das Alte suchen. Sammler, die immer wieder gewissen Themen suchen. Und ältere Leute, die suchen, aber auch anbieten. Aber tatsächlich zunehmend Junge, was mich sehr freut.

WANN & WO: Du bist mit deinem Geschäft Anfang des Jahres von Lustenau nach Hohenems gezogen. Ist das auch der gestiegenen Nachfrage zu verdanken?

Markus Schwindsackl: Unter anderem, ja. Ich wollte zum Einen ein Geschäft, das sichtbarer für Laufkundschaft ist. Und dass größer ist, weil es immer mehr werden. Deshalb habe ich auch das Geschäft in Lustenau als Lager behalten.

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WANN & WO: Es scheint, als hätten in diesen Krisenzeiten viele Menschen eine Sehnsucht nach dem Alten: Kinofilme werden neu aufgelegt, alte Fernsehserien werden wieder gezeigt, Musiker melden sich aus dem Ruhestand zurück ... Merkst du das auch bei deinen KundInnen?

Markus Schwindsackl: Absolut. Sie merken, dass das Alte sie stärker berührt. Und sie sind oft erstaunt, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Antiquitäten gar nicht unbedingt schlechter ist als bei neuer Massenware.

WANN & WO: Was war das Kurioseste, was dir in deiner Zeit als Dachbodenpirat unterkam?

Markus Schwindsackl: Da gibt es einiges. Zum Beispiel eine alte Armprothese. Oder das Werbeschild einer Motorradwerkstatt aus Lustenau, von der niemand mehr weiß.

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WANN & WO: Bieten dir Leute auch mal wertlose Sachen an?

Markus Schwindsackl: Es kommt auch mal Schrott, natürlich. Aber das passiert nicht aus Boshaftigkeit, sondern zum Einen, weil die Leute emotional viel mit dem Stück verbinden oder weil ihnen das Wissen fehlt. Und „alt“ hat für jeden eine andere Bedeutung: Wer 2004 geboren ist, ist heute bereits 18 Jahre alt. Und der hält eine Fahrradluftpumpe von 1992 für geradezu antik.

WANN & WO: Du bist gelernter Maler und Bodenleger. Wie bist du zum Antiquitätenhandel gekommen?

Markus Schwindsackl: Das Thema hat mich schon als Kind fasziniert. Während die anderen Fußball gespielt haben, bin ich auf Dachböden herumgeschlichen. Stück für Stück habe ich mir dann das Wissen angeeignet. Und mich schließlich als Antiquitätenhändler selbständig gemacht. Da gibt es natürlich dutzende Spezialgebiete. Ich selbst bin Altwaren- und Trödelhändler. Diesen Bereich decke ich auch bei „Bares für Rares Österreich“ ab.

WANN & WO: Dort sitzt du seit 2019 im Händlerteam. Wie kam es dazu?

Markus Schwindsackl: Schon als ich vor vielen Jahren die deutsche Version sah, dachte ich: Da mitzumachen, wäre mein Traum. Wenn ich das laut gesagt habe, wurde ich aber ausgelacht. Und es gibt auch gar keine Möglichkeit, sich selbst dafür zu bewerben. Aber Ende 2019 hatte ich plötzlich einen Anruf von einer unbekannten Nummer auf dem Handy. Ich rief zurück und fragte, worum es geht und man sagte mir „Bares für Rares Österreich“. Da hat es mich erstmal auf den Hintern gehockt. (lacht) Dann ging es zum Casting und einige Zeit später kam die Nachricht: „Du bist dabei.“

KURZ GEFRAGT

  • Gibt es auch mal Objekte, die du am liebsten behalten würdest? Ja. Aber als Händler darf man kein Sammler sein.
  • Was ist deine Lieblingsepoche?Art déco.
  • Was war deine Lieblingsrarität, die dir mal bei „Bares für Rares Österreich“ vorgestellt wurde?Eine Kirchturmuhr.
  • Wie ist dein Zuhause eingerichtet? Gemischt. Ich habe eine moderne Küche, aber einen alten Esstisch. Einen modernen Gang, aber eine Garderobe aus den 50ern. Ein Boxspringbett, aber einen alten Kasten.

STECKBRIEF

  • Geboren am: 24. Juni 1965 (57 Jahre)
  • Wohnort und Familienstand: Dornbirn, ledig
  • Karriere: gelernter Maler und Bodenleger, 2016 Eröffnung des Antiquitätengeschäfts in Lustenau, seit 2019 Antiquitätenhändler bei „Bares für Rares Österreich“ (jeden Sonntag um 20.15 Uhr auf Servus TV), Auftritte bei „Vorarlberg Heute“, „Die Nachlassjäger“, „Servus am Abend“, Jänner 2022 Umzug des Geschäfts nach Hohenems

(WANN & WO)

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