Van der Bellen ist der erste Bundespräsident der nicht von SPÖ oder ÖVP stammt

Alexander Van der Bellen, der frühere Grünen-Chef und unabhängige Hofburg-Bewerber, wird aller Wahrscheinlichkeit nach für eine zweite sechsjährige Amtsperiode gewählt. Aber auch im höchst unwahrscheinlichen Fall, dass sich einer der anderen sechs Kandidaten durchsetzt, bleibt es dabei.
Van der Bellen ist erster nicht rote oder schwarze Bundespräsident
Denn Van der Bellen hat es geschafft, sich auch die Achtung und Unterstützung - mehr oder weniger direkt ausgesprochen - fast aller anderen Parlamentsparteien zu erwerben. Somit haben heuer nicht nur die Grünen und die NEOS, sondern erstmals auch beide Traditionsparteien darauf verzichtet, selbst Kandidaten zu nominieren. Wohl auch ein wenig mit Blick auf die desaströsen Ergebnisse, die die Kandidaten von SPÖ und ÖVP 2016 einfuhren. Die FPÖ, deren Kandidat Norbert Hofer erst in der Stichwahl Van der Bellen unterlag, hat hingegen auch heuer einen Bewerber im Rennen.
Umfragen rechnen mit einem Sieg Van der Bellens bei BP-Wahlen 2022
Aber allen Umfragen nach ist damit zu rechnen, dass Van der Bellen auch heuer wieder gewinnt - und damit ist er dann der älteste Bundespräsident nicht nur seit der Direktwahl 1951, sondern auch unter den vier Vorgängern der ersten Republik und des ersten (noch von der Bundesversammlung gekürten) Präsidenten der Zweiten Republik. Denn Van der Bellen ist - mit seinem Geburtstag am 18. Jänner - bei seiner zweiten Angelobung bereits 79 Jahre alt. Der bisherige Rekordhalter, Theodor Körner (1951-1957), war 78 Jahre alt, als er Bundespräsident wurde. Er starb allerdings wenige Monate vor seiner ersten Amtszeit. Dessen Nachfolger Adolf Schärf trat seine zweite Amtszeit 73-jährig an, aber zwei Jahre später starb auch er in Ausübung des Amtes.
Jüngster Kandidat bei einer BP-Wahl bisher Dominik Wlazny
Am Stimmzettel findet sich heuer mit Dominik Wlazny aber auch der jüngste Kandidat, der je zur Wahl stand - er bietet mit 35 Jahren gerade erst das Mindestalter auf. Bei der - nicht sehr wahrscheinlichen - Angelobung im Jänner wäre er 36, und damit das mit großem Abstand jüngste Staatsoberhaupt. Das sind bis heute Rudolf Kirchschläger (parteifrei, SPÖ-nominiert) und der nur wenig ältere Thomas Klestil (ÖVP), die ihren ersten Amtseid 59-jährig ablegten.
Sechs der acht Bundespräsidenten waren Akademiker
Sechs der acht direkt gewählten Bundespräsidenten sind Akademiker. "Dr." waren zwar auch General Theodor Körner und Franz Jonas, sie hatten aber keine Studium absolviert, sondern die Ehrendoktorwürde verliehen bekommen - Jonas von ausländischen Universitäten. Van der Bellen hat nicht nur Volkswirtschaft studiert, sondern auch als Uni-Professor in Innsbruck und Wien unterrichtet.
Die Kurzbiografien der Präsidenten der Zweiten Republik:
Dr. KARL RENNER (Staatskanzler 27.4.1945 bis 20.12.1945, Bundespräsident 20.12.1945 bis 31.12.1950)
Geboren am 14.12.1870 in Untertannowitz (Mähren), gestorben am 31.12.1950 in Wien. Jurist. Führer des gemäßigten Flügels der Sozialdemokratie, ab 1907 Reichtstagsabgeordneter. Vom Oktober 1918 bis Juni 1920 Staatskanzler, 1919 Leiter der Delegation Österreichs bei den Friedensverhandlungen von Saint Germain. Beginn der 20er-Jahre Rückzug aus der Politik, 1930 Wiederkehr als Nationalratspräsident (bis März 1933). 1934 vom Dollfuß-Regime vorübergehend inhaftiert. 1938 Plädoyer für "Ja" in Volksabstimmung über Anschluss an Hitler-Deutschland. 1945 erst als Staatskanzler eingesetzt, dann von Bundesversammlung zum Präsidenten gewählt, im Amt bis zu seinem Tod.
Dr. h.c. THEODOR KÖRNER (21.6.1951 bis 4.1.1957)
Geboren am 24.4.1873 bei Komarom (Ungarn), gestorben am 4.1.1957 in Wien. Militärlaufbahn. Im Ersten Weltkrieg Generalstabschef der Isonzo-Armee, 1924 als General pensioniert. Widmete sich der Politik - sozialdemokratischer Vertreter der Stadt Wien im Bundesrat, militärischer Berater des Republikanischen Schutzbundes. 1934 für elf Monate inhaftiert; nach Hitler-Attentat 1944 vorübergehend von der Gestapo festgenommen. 1945 Wiener Bürgermeister. 1951 erster vom Volk gewählter Bundespräsident, starb kurz vor Ende der ersten Amtsperiode.
Dr. ADOLF SCHÄRF (22.5.1957 bis 22.5.1963 und 22.5.1963 bis 28.2.1965)
Geboren am 20.4.1890 in Nikolsburg (Mähren), gestorben am 28.2.1965 in Wien. Rechtsanwalt. Offizier im Ersten Weltkrieg. Sozialdemokrat, Sekretär der Nationalratspräsidenten. In der NS-Zeit drei Mal verhaftet. 1945 bis 1957 Vorsitzender der SPÖ und Vizekanzler, maßgeblich an Staatsvertragsverhandlungen beteiligt. 1957 Wahl zum Bundespräsidenten. Starb während der zweiten Amtsperiode.
FRANZ JONAS (9.6.1965 bis 9.6.1971 und 9.6.1971 bis 24.4.1974)
Geboren am 4.10.1899 in Wien, gestorben am 24.4.1974. Buchdrucker. Beteiligte sich am Kärntner Abwehrkampf. Karriere in der Gewerkschaft, 1932 Sekretär der Sozialdemokratischen Partei. 1935/36 verhaftet. 1948 Stadtrat in Wien, 1951 Nachfolger Körners als Bürgermeister. 1965 Wahl zum Bundespräsidenten, lobte 1970 die von ihm mit initiierte SPÖ-Minderheitsregierung an. Starb während der zweiten Amtsperiode an Krebs.
Dr. RUDOLF KIRCHSCHLÄGER (8.7.1974 bis 8.7.1980 und 8.7.1980 bis 8.7.1986)
Geboren am 20.3.1915 in Niederkappel (Oberösterreich), gestorben am 30.3.2000 in Wien. Jurist. Im Zweiten Weltkrieg schwer verwundet. Nach Kriegsende Richter und vorübergehend ÖVP-Mitglied. 1954 Außenministerium, Mitglied der Delegation für die Staatsvertragsverhandlungen; einer der Väter des Neutralitätsgesetzes. 1968 Gesandter in Prag. 1970 Außenminister im Kabinett Kreisky. Parteiloser, von der SPÖ nominierter Kandidat für die Präsidentschaftswahl 1974. Wiederwahl 1980, ÖVP verzichtete auf Gegenkandidaten. Rückzug ins Privatleben nach der zweiten Periode; starb kurz nach dem 85. Geburtstag in Wien.
Dr. KURT WALDHEIM (8.7.1986 bis 8.7.1992)
Geboren am 21.12.1918 in St. Andrä-Wördern (NÖ), gestorben am 14.6.2007 in Wien. Jurist. Frontoffizier der Deutschen Wehrmacht. Nach Kriegsende auswärtiger Dienst, u.a. Botschafter in Kanada, bei der UNO. 1968 bis 1970 Außenminister der ÖVP-Alleinregierung. 1971 erster Antritt als ÖVP-Kandidat, unterlag gegen Jonas. 1972 bis 1981 UNO-Generalsekretär. 1986 zweiter Antritt als ÖVP-Kandidat; gewann trotz heftiger Diskussionen über seine Wehrmachts-Vergangenheit gegen SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer. Als Bundespräsident international isoliert, von USA auf die Watchlist gesetzt. Verzichtete 1991 auf Wiederkandidatur; starb 88-jährig im Juni 2007 - einen Monat vor seinem Gegenkandidaten Steyrer.
Dr. THOMAS KLESTIL (8.7.1992 bis 8.7. 1998 und 8.7.1998 bis 6.7.2004)
Geboren am 4.11.1932 in Wien, gestorben am 6. Juni 2004 in Wien. Studium der Handelswissenschaften. Diplomatenkarriere, u.a. OECD-Delegation in Paris, Botschafter bei der UNO, in Washington. 1987 Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten. ÖVP-Kandidat bei Nationalratswahlen 1986 und 1989. 1992 ÖVP-Bundespräsidenten-Kandidat, gewann gegen SPÖ-Kandidaten Rudolf Streicher. In erster Amtszeit Trennung von Frau Edith, schwere Erkrankung im Herbst 1996. 1998 überparteilicher Kandidat, unterstützt von Komitee mit Helmut Zilk (SPÖ) an der Spitze; Klestil setzte sich im ersten Wahlgang gegen vier Mitbewerber durch. Lobte 2000 wider Willen die schwarz-blaue Koalition an. Starb zwei Tage vor Ende der zweiten Amtsperiode an Organversagen.
Dr. HEINZ FISCHER (8.7.2004 bis 8.7.2010 und 8.7.2010 bis 8.7.2016)
Geboren am 9.10.1938 in Graz. Studium der Rechtswissenschaften. Trat 1962 nach der Gerichtspraxis als Jurist ins Sekretariat des SPÖ-Klubs ein und blieb - mit nur einer Unterbrechung, als er 1983-1987 Wissenschaftsminister war - im Parlament, seit 1971 als Abgeordneter, 1975-1983 geschäftsführender Klubobmann, 1987-1990 Klubobmann, 1990-2002 Nationalratspräsident, 2002-2004 Zweiter Nationalratspräsident. In der SPÖ war Fischer von 1979 bis 2004 stellvertretender Parteivorsitzender; mit seiner Angelobung stellte er die Parteimitgliedschaft ruhend. 2010 wurde er im ersten Wahlgang mit 79,33 Prozent wiedergewählt, die ÖVP hatte keinen Kandidaten nominiert.
Dr. ALEXANDER VAN DER BELLEN (seit 26.1.2017)
Geboren am 18.1.1944 in Wien, als Sohn russisch-estnischer Eltern, aufgewachsen im Tiroler Kaunertal, seit 1958 österreichischer Staatsbürger. Der promovierte Volkswirt war ursprünglich als Professor an den Unis Wien und Innsbruck tätig. Erst mit 50 ging er in die Politik und wurde Abgeordneter im Nationalrat (1994 bis 2012) - für die Grünen, die ihn 1997 zum Chef erkoren. Nach Verlusten bei der Wahl 2008 trat er als Bundessprecher zurück, 2012 wechselte er vom Nationalrat in den Gemeinderat der Stadt Wien. 2016 trat er 73-jährig als unabhängiger Kandidat - jedoch kräftig unterstützt von den Grünen - bei der Hofburg-Wahl an. Im ersten Wahlgang war er mit großem Abstand zum FPÖ-Kandidaten nur Zweiter, bei der (vom Verfassungsgerichtshof nach der Anfechtung durch die FPÖ angeordneten) Wiederholung der Stichwahl setzte er sich mit 53,8 Prozent aber klar gegen Norbert Hofer durch.
(APA/Red)