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Strompreis-Deckelung: Rufe in ÖVP, Wifo-Chef dagegen

Wifo-Chef Felbermayr kein Anhänger eines Strompreis-Deckels.
Wifo-Chef Felbermayr kein Anhänger eines Strompreis-Deckels. ©APA/Barbara Gindl (Symbolbild)
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr spricht sich gegen einen Strompreis-Deckel aus. Er äußerte sich im "Standard" und in der ZIB2 am Sonntag. Wie aber sieht es in der ÖVP aus?
Brunner gegen Alleingang

Die Rufe nach einer Deckelung der Strompreise werden in der ÖVP lauter. Nach der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) redeten am Montag auch der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler und sein oberösterreichischer Amts- und Parteikollege, Thomas Stelzer, einer derartigen Maßnahme das Wort. Die FPÖ kritisierte indes das "Schattenboxen" in den türkisen Reihen.

Mikl-Leitner für Strompreis-Deckel

Niederösterreichs Landeschefin verlangte am Wochenende einen Preisdeckel und kritisierte fehlende Taten gegen die Teuerung und damit indirekt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich zuletzt im Nationalrat gegen einen Preisdeckel ausgesprochen hatte. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich am Sonntag ablehnend.

Aufgeschlossen zeigte sich hingegen Drexler. Auch in der Corona-Pandemie habe die Regierung zu Maßnahmen gegriffen, die sich zuvor niemand habe vorstellen können, meinte er am Montag gegenüber der Tageszeitung "Österreich". Die massiven Interventionen seien aber notwendig gewesen, argumentierte er: "So könnte auch ein Preisdeckel notwendig werden."

Mit Strompreis-Deckel befassen

Ähnliche Töne kamen auch aus Oberösterreich: "Mit Experten sollte über einen Preisdeckel nachgedacht werden", erklärte Stelzer gegenüber der Tageszeitung "Österreich". Für ihn sei klar, dass es weitere Unterstützungen und Hilfen brauche. Und auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meinte, dass es keine "Denkverbote" geben dürfe. Gefordert ist laut Sachslehner aber auch die zuständige Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Das Bild, das diese bei den Vorbereitungen zu den Gasvorbereitungen für den Herbst mache, sei jedoch "kein gutes", konstatierte die ÖVP-Politikerin. Die Ministerin müsse entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten.

Man müsse alles tun, um die hohe Belastung der Haushalte und der Wirtschaft abzufedern, betonte Mikl-Leitner am Montag am Rande einer Pressekonferenz am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg mit Blick auf hohe Stromrechnungen. "Da darf es keine Denkverbote geben. Da kann ich mir auch einen Deckel vorstellen", sagte die ÖVP-Politikerin. Eine europäische Lösung wäre "gut, wichtig und richtig", aber diese sei nicht so schnell realisierbar. "Wir wissen natürlich, dass der Staat nicht alles finanziell unterstützen kann, aber gerade hier braucht es eine finanzielle Unterstützung."

Mikl-Leitner erwartet "Verantwortung"

Die Landeshauptfrau erwartet "Verantwortung der gesamten Bundesregierung", die die Themenführerschaft übernehmen müsse. Sie forderte ein Zusammenhalten im gesamten Parlament. Es gehe angesichts der Herausforderungen nicht um Parteipolitik, sondern um Vernunft und darum, den Menschen Zukunftsängste zu nehmen, meinte sie zu unterschiedlichen Positionen in der ÖVP zum Thema Deckelung. Die FPÖ NÖ forderte indes in einer Aussendung, dass Mikl-Leitner als Vertreterin des Mehrheitseigentümers Land Niederösterreich einen Energie-Preisdeckel beim niederösterreichischen Versorger EVN sofort sicherstellen müsse.

Kritik am "Richtungsstreit" in der ÖVP kam von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Während ÖVP-Landeshauptleute einen Preisdeckel für Strom einfordern, wolle das ÖVP-Team in der Bundesregierung nichts davon wissen, so Kickl: "Dieses Schattenboxen in der ÖVP-Blase hilft den Menschen leider nicht." Preisdeckel könnten als Sofortmaßnahmen nur der erste Schritt sein, folgen müsse ein "Ausstieg aus der Sanktions-Eskalationsspirale", meinte er und brachte eine Volksbefragung zu diesem Thema ins Spiel.

Gewessler zeigt wenig Verständnis für Kritik

Die von Sachslehner kritisierte Umweltministerin Gewessler zeigte für deren Kritik wenig Verständnis. Sie arbeite mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gut zusammen. Gemeinsames Ziel sei es, die Versorgungssicherheit beim Gas für den Winter sicherzustellen, wie sie gegenüber der ORF-"Zeit im Bild" erklärte. Nehammer wiederum sah "keinen Widerspruch innerhalb der Volkspartei". Alle Äußerungen zielten darauf ab, eine internationale Lösung zu finden. Auch ihm dauere dies viel zu lange, auf europäischer Ebene sei viel zu tun.

Seitens der Arbeiterkammer (AK) wurde in der ORF-"ZiB" auf die hohen Gewinne verwiesen, die Energieunternehmen derzeit erzielen und einen Beitrag leisten müssten für einen Strompreisdeckel. Es sei "hoch an der Zeit, dass jetzt Maßnahmen setzen, die tiefer in den Markt eingreifen, und dafür sorgen, dass Energie leistbar bleibt", sagte AK-Experte Josef Thoman. Denn die hohen Energiepreise würden nicht nur für Einzelne sondern zunehmend für die gesamte Volkswirtschaft zum Problem werden.

Beim hohen Gaspreis brauche es eine gemeinsame europäische Lösung. Dabei sind sich AK und E-Control einig. Doch bei einem Strompreisdeckel in Österreich ist die Energie-Regulierungsbehörde skeptisch. "Würde Österreich selbst den Strompreis deckeln in Form eines Eingriffs in die Großhandelspreise, dann hätte das den Effekt dass der österreichische Steuerzahler für etwas bezahlt, von dem andere Kundinnen und Kunden in anderen Ländern auch profitieren würden", sagte Urbantschitsch.

SPÖ kritisiert "Streit" in ÖVP

Und auch die SPÖ kritisierte den "Streit" in der ÖVP. Dieser lähme das ganze Land, meinte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Die Forderungen der SPÖ lägen längst am Tisch und müssten nur umgesetzt werden. Etwa müssten die Preise auf Lebensmittel, Energie und Wohnen gesenkt, die Übergewinne der Energiekonzerne abgeschöpft und alle Instrumente zur Sicherung der Gasversorgung durch Kooperation mit unseren Nachbarn ergriffen werden. Zudem sei eine Erhöhung der Pensionen und des Arbeitslosengeldes nötig.

Als "längst überfällig" bezeichnete ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die aktuellen Forderungen in den Energiemarkt einzugreifen. Länder wie Spanien, Portugal, Frankreich oder Norwegen hätten den Ernst der Lage schon vor Monaten erkannt und regulieren die Preise, so Katzian. Zur Finanzierung schwebt ihm eine Sondersteuer auf Übergewinne vor.

Doskozil für Energie-Preisdeckel

Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) forderte am Montag einen befristeten Preisdeckel für Energie, inklusive Sprit. Diese Maßnahme solle "den Menschen das finanzielle Überleben in den kritischen Herbst- und Wintermonaten" sichern und "ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft angesichts der galoppierenden Inflation vermeiden", sagte Doskozil. Er könne sich einen befristeten Spritpreisdeckel bei 1,50 Euro vorstellen.

Felbermayr gegen Strompreis-Deckel

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr spricht sich gegen einen Strompreis-Deckel aus. Ein solcher würde die Notwendigkeit, Energie einzusparen, konterkarieren, wie er im "Standard" (Montagsausgabe) und in der ZIB2 am Sonntag sagte. "Hohe Preise führen dazu, dass das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt", so der Wirtschaftsforscher. Eingriffe in dern Markt kann sich Felbermayr aber sehr wohl vorstellen, etwa durch progressive Stromtarife oder eine europaweite Subvention von Gasstrom.

Felbermayr kann sich beispielsweise vorstellen, "dass die Haushalte alle ein gewisses Ausmaß an Strom als Freistrom bekommen, als eine Gutschrift". Das würde die Preisexplosion abschwächen, ohne dass Sparanreize verloren gehen. "Die Idee wäre, die Stromrechnungen zu deckeln, aber die Preissignale bei den Haushalten ankommen zu lassen", erklärte Felbermayr.

Auch der in New York lehrende österreichische Klimaökonom Gernot Wagner spricht sich dafür aus, die Energiepreise für Einkommensschwache vom Markt zu entkoppeln. "Das Instrument? Jeder Haushalt bekommt X kWh zum Preis vor dem Krieg", wie Wagner auf Twitter schrieb.

Subventionierung von Gas für Stromerzeugung

Helfen gegen die Strompreisexplosion würde auch, Gas für die Stromerzeugung zu subventionieren, wie es in Spanien und Portugal passiert. Dies gehe jedoch nur europaweit, so Felbermayr. "Wenn wir das in Österreich alleine machen würden, dann sinkt zunächst einmal der Strompreis bei uns zwar, aber der würde dann auch die Verbraucher, Industrie und Haushalte, zum Beispiel in Bayern oder in Italien erfreuen. Und am Ende würde der österreichische Steuerzahler diese Subvention leisten für andere."

Der frühere SPÖ-Kanzler und Verbund-Vorstand Christian Kern wiederum brachte am Wochenende via Twitter die Marktkopplung am europäischen Strommarkt in die Diskussion ein. "Die Parameter, vor allem die grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten im Modell so anzupassen, dass es zu möglichst keinen kommerziellen Abflüssen kommt, ist keine Raketenwissenschaft", meinte Kern.

Strompreisdeckel

Bei einem Strompreisdeckel müssten beispielsweise Betreiber von Gaskraftwerken Strom erzeugen ohne ihre hohen Kosten weitergeben zu können. In Frankreich belastet ein solcher staatlicher Preisdeckel den Energiekonzern EDF gerade enorm. In Österreich werden Gaskraftwerke unter anderem von der Wien Energie, der EVN, der Energie AG OÖ und vom Verbund betrieben.

(APA/Red)

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