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Schlicht fahrlässig

©APA/FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
Gastkommentar von Johannes Huber. "Wir haben eine Pandemie der Zauderer und Zögerer", sagt Bundeskanzler Schallenberg. Ganz besonders trifft das auf Parteifreunde wie Landeshauptmann Stelzer zu.

Man kann der österreichischen Politik nicht vorwerfen, dass es eine weitere Infektionswelle gibt. Ein Blick in die Nachbarschaft zeigt, dass das auch in anderen Ländern der Fall ist, allen voran Slowenien, wo die Welle noch größer ist. Was man ihr vorwerfen kann, ist, dass sie planlos agiert und den Leuten etwas vormacht. Die türkise Volkspartei von Sebastian Kurz hat im Sommer behauptet, die Pandemie gemeistert zu haben. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat Junge ermuntert, sich ins Nachtleben zu stürzen: Da wundert sich hoffentlich eh niemand, dass sich Sorglosigkeit ausbreitete und sich kaum noch jemand impfen ließ, zumal die Kampagne dazu de facto eingestellt wurde; offenbar, um die „Rückkehr zur Normalität“ nicht zu konterkarieren.

Das ist das eine. Das andere: Seit Wochen steigen die Zahlen, seit Wochen herrscht ein Zaudern und Zögern vor. Vor dem erwähnten Hintergrund ist es absurd von Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), ein solches Verhalten ausschließlich Ungeimpften zu unterstellen. Es trifft ganz besonders auch die Politik. Bis zuletzt hat sie außerhalb von Wien, wo immer strengere Regeln galten, so getan, als wär‘ nix.

Am stärksten ist das von den schwarz-türkisen Landeshauptleuten Wilfried Haslauer (Salzburg) und Thomas Stelzer (OÖ) betrieben worden. Sie gehören zur Verantwortung gezogen: Mittwochabend sprachen sie sich gegen regionale Lockdowns für Ungeimpfte aus. Haslauer meinte, ein solcher wäre „schwierig bis gar nicht zu kontrollieren“. Stelzer behauptete, man habe „Gott sei Dank viele Intensivbetten“. Keine 24 Stunden später das Eingeständnis: Die Situation sei „dramatisch“, kündigte Stelzer einen regionalen Lockdown für Ungeimpfte ab Montag an.

Der Mann ließ es Zwölf werden und reagierte erst fünf Minuten danach. Sein bisheriges Vorgehen war schlicht fahrlässig. Gerade in Oberösterreich wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ein Systemrisiko in den Spitälern erreicht, das die Ampelkommission für ganz Österreich sieht. Das bedeutet, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist. Stelzer und Seinesgleichen haben es darauf ankommen lassen.

Vielleicht haben sie gehofft, dass die Infektionszahlen irgendwann zurückgehen. Unter Umständen haben sie auch gebetet dafür. Hätten sie einen Plan gehabt, wären sie früher eingeschritten oder würden es, wie es Corona-Leugner empfehlen, einfach darauf ankommen lassen, dass die Zahlen durch die Decke gehen. Entweder-oder. Aber nicht weder-noch.

Was jetzt kommt, ist genau genommen ein Lockdown für alle: In Oberösterreich verfügen 40 Prozent der Menschen über kein Impfzertifikat. Wie Corona bereits allen zu schaffen macht, weil sie irgendwen kennen, der erkrankt ist oder sich in Quarantäne befindet; oder weil sie keinen Termin mehr in den überlasteten Krankenhäusern bekommen, so werden es auch die nunmehrigen Beschränkungen tun: Das gesellschaftliche Leben wird um 40 Prozent zurückgehen, die Umsätze im Handel werden es ebenso tun etc. Gut möglich, dass die Einbrüche noch viel größer werden, sind halbleere Lokale doch wenig attraktiv, bleibt man lieber zu Hause.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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