Von der oberösterreichischen Landtagswahl ist am vergangenen Sonntag eine Schockwelle ausgegangen. Zumindest unter Nicht-MFG-Anhängern. MFG steht für „Menschen, Freiheit, Grundrechte“ bzw. Impfgegner, die bei diesem Urnengang zur allgemeinen Überraschung von null auf 6,2 Prozent gekommen sind. In Umfragen vom Sommer waren sie noch nicht einmal ausgewiesen worden.
Die 6,2 Prozent sind beachtlich, keine Frage. Man sollte aber nicht übersehen, unter welchen Umständen sie zustande gekommen sind: Seit eineinhalb Jahren befindet sich die Welt in einer Pandemie. Auch in Österreich ist es zu so weitreichenden Freiheitsbeschränkungen wie (fast) seit Menschengedenken nicht mehr gekommen. Millionen haben zu Hause bleiben müssen, Hunderttausende sind zumindest vorübergehend von ganz brutalen, existenziellen Sorgen geplagt worden. Sie sind nicht vergessen.
Zweitens: Gerade auf politischer Ebene ist es zu einem deutlichen Vertrauensverlust der Politik gekommen. Regierungsmitglieder bis hin zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sehen sich mit sehr viel Misstrauen konfrontiert. Kein Wunder: Kurz hat mehrfach bzw. stets zu früh von einer Rückkehr zur „Normalität“ gesprochen, die bis heute nicht eingetreten ist. Letzteres ist bei weitem nicht allein seine Schuld, er hätte jedoch vorsichtiger sein müssen bei seinen Verheißungen und vor allem auch mit seinen „Wir sind am besten durch die Krise gekommen“-Botschaften.
Drittens: Experten weisen schon lange darauf hin, dass Impfen eine hochsensible Angelegenheit ist. Besonders in Österreich ist es bei sehr vielen Menschen verpönt, gibt es Ängste. Auch wenn man sie nicht nachvollziehen kann, zumal es unterm Strich ja um Größeres für die gesamte Gesellschaft, nämlich die Überwindung der Pandemie, geht, sollte man sie ernst nehmen. Das ist zu wenig geschehen. Verhaltensökonom Florian Spitzer wundert sich etwa darüber, dass Motivlagen kaum untersucht worden sind, um eine wirkungsvollere Impfkampagne durchführen zu können. Gegeben hat es dagegen leider eine verhängnisvolle Verhärtung: Als Geimpfter ertappt man sich dabei, alle Ungeimpften in einen Topf zu werfen und einfach nur wütend auf sie zu sein.
Viertens: Die Jahrhundertkrise, der Vertrauensverlust von Kurz und Co. sowie die Impfgeschichte ergeben einen satten Nährboden für eine neue politische Bewegung. Herausgekommen sind nun bei der oberösterreichischen Landtagswahl 6,2 Prozent für die MFG-Liste. Für ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos hat sich (in Prozentpunkten) kaum etwas geändert. Freiheitliche sind in einem Ausmaß abgestürzt, wie sie es seit der Ibiza-Affäre gewohnt sind.
In Anbetracht all der Umstände ist es bemerkenswert, dass es nicht zu viel größeren Verwerfungen gekommen ist. Wobei: MFG hat wohl ein Maximum dessen herausgeholt, was für diese Liste ohne Geld, Kampagnenerfahrung und Leute möglich ist, die ausdrücklich betonen, keine Politiker zu sein, also nicht gestalten zu wollen.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik