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Impfen ist eine Verpflichtung

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Bei der Corona-Bekämpfung geht es nicht nur um einen selbst, sondern auch um eine Verantwortung für die ganze Gesellschaft.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat seinen Job bei Jörg Haider gelernt und das merkt man: Ob er seine Aussagen zur Pandemie ernst meint, ist fraglich, aber belanglos. Er verharmlost Corona und skandalisiert die Impfung, weil das sonst niemand tut in der österreichischen Politik. Also kann er nur gewinnen. Frei nach dieser Logik hat Haider einst begonnen, gegen Europa oder auch Ausländer zu mobilisieren. Er hoffte, damit „exklusiv“ punkten zu gewönnen; über das Ausmaß des Erfolgs war er bisweilen selbst überrascht.

„Man tut so, als würden Menschen am Gehsteig sterben“, hat sich Kickl nun im ORF-Sommergespräch cool gegeben und damit wieder einmal sehr gezielt all jene angesprochen, die noch immer mit dem Grippe-Vergleich daherkommen. Womit auch schon die Rutsche gelegt ist zur Kritik an Beschränkungen einerseits und am wachsenden Druck, sich impfen zu lassen, andererseits. Wobei das Verlockende für Kickl ist, dass sich das wunderbar mit freiheitlichen Grundsätzen verbinden lässt: Vereinfacht ausgedrückt ist der Bürger demnach absolut frei, zu tun und zu lassen, was ihm gefällt; der Staat hat sich da rauszuhalten.

Das Problem ist, dass das hier in ein anderes Extrem übergehen kann: Gerade in der Pandemie geht es nicht nur um einen selbst. Jeder Kontakt ist zumindest in Zeiten mit einem verstärkten Infektionsgeschehen auch eine potenzielle Gefährdung anderer. Nicht jede Infektion muss zu einer Erkrankung führen, jede Erkrankung kann jedoch mit einem Aufenthalt auf der Intensivstation und irgendwann auch einem elendiglichen Tod enden. Auch hier sind im Übrigen andere Menschen betroffen: Angefangen von Ärzten und Pflegern bis hin zu Patienten, denen ein Bett genommen ist: Man sollte nicht ausblenden, wie viele Operationen und Behandlungen in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht durchgeführt werden konnten, weil es so viele Corona-Fälle gab.

Was heißt viele? Die Kapazitäten sind gleich null. In Wien waren sie um Ostern ausgereizt, als es keine 250 Intensivpatienten gab. Das entspricht nicht einmal einem Tausendstel, sondern beinahe einem Zehntausendstel der Bevölkerung der Stadt.

Aktuell steigen die Zahlen wieder. Und es ist nicht falsch, was Kickl sagt; nämlich, dass auch Geimpfte andere anstecken und selbst erkranken können. Das gibt es. Die Wahrscheinlichkeiten sind jedoch viel kleiner als bei Ungeimpften. Das kann Kickl nicht vom Tisch wischen

Manchmal erweckt der FPÖ-Chef den Eindruck, er setze bei seinen Polemiken über Impfungen auf eine verbreitete Trotzhaltung gegenüber einer Obrigkeit. Wenn diese zu etwas auffordert, tut man es demnach erst recht nicht. Das wäre im vorliegenden Fall denkbar schlecht. Zum einen sollte man sich lieber ernsthaft mit möglichen Risiken und Nebenwirkungen auseinanderzusetzen. Zum anderen sollte beachtet werden, was man sich selbst erspart, wenn man durch eine Impfung eher nicht dem Tod ins Auge schaut und dann womöglich auch noch mit Langzeitfolgen zu kämpfen hat; und was man der gesamten Gesellschaft erspart, wenn man einen Beitrag zur Vermeidung einer weiteren Überlastung der Spitäler sowie eines damit einhergehenden Lockdowns mit geschlossenen Schulen und Geschäften leistet. Insofern ist Impfen eine Verpflichtung

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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