Von einer Wärme, die das Herz erreicht

Das Thermometer zeigte zwei Grad unter Null. Obwohl der Himmel wolkenfrei war und auf der anderen Seite des Tales bereits die Sonne schien, hatten diesen Teil von Tschagguns noch die Kälte und der Schatten im Griff. Mich trieb das Heimweh wieder einmal Richtung Gampadelswerk, und in meiner Erinnerung stiegen die kalten Wintertage hoch, an denen wir Kinder aus der Zelfen bei minus zwanzig Grad und mehr in die Schule mussten, während die Schrunser Kinder behaupteten, man könne jenseits der Ill den Frühling schon riechen. Uns focht das nicht wirklich an. Wir waren hart im Nehmen, und vor allem gab es Wichtigeres in unserem Leben als unsere sibirische Kälte und die Frühlingsphantasien dieser Angeber.
Auf der Höhe Ganzenahlstraße 1 entschloss ich mich spontan, meinem Freund Luggi Keßler einen Besuch abzustatten und mich nach dem Fortschritt seiner Arbeit zu erkundigen. Schon vor gut einem Jahr war ich einmal hier und habe mit großem Staunen von seinem neuen Hobby, dem Bau von kleinen Häuschen aus alten Schindeln, erfahren. Erst nachdem ich feststellte, dass niemand zuhause war, wurde ich auf die riesige Vitrine aufmerksam, die der Luggi seitlich vor seiner Eingangstür aufgebaut hatte. Sie war voll mit seinen kleinen Kunstwerken. Ein Häuschen war ansprechender als das andere. „Unzählige Arbeitsstunden müssen in diesen Werken stecken“, dachte ich mir.
Als ich um das Haus herumging, traf ich auf eine ganze Siedlung aus Schindelhäuschen, die sich um eine kleine Kirche scharten. Wie ein Kind stand ich vor diesen Miniaturen und merkte gar nicht wie die Zeit verging. Ein leises Maunzen riss mich aus meinen Gedanken. Vor meinen Füßen stand eine schwarzweiße Katze und bedeutete mir mit festem Blick, dass einer von uns hier nicht hergehört. Ich murmelte eine Entschuldigung und machte mich vom Acker. Als ich mich kurz darauf wieder auf offener Straße befand, kam die Kälte zurück.
„Der Luggi scheint mit seinen kleinen Kreationen tatsächlich die Herzen der Betrachter zu wärmen“, ging es mir durch den Sinn. Und ich dachte an die Geschichte vom „Wunder von Bergdorf“ aus meinem letzten Buch und freute mich, dass sich alles in der Wirklichkeit genauso verhielt wie dort beschrieben und dass es nicht nur ein Märchen war.
Ich nahm mir fest vor, meinen nächsten Besuch telefonisch anzukündigen.