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Pressekonferenz zum 12-Stunden-Tag

Die Regierung hat am Donnerstag ihre Pläne für eine flexiblere Arbeitsgestaltung vorgelegt, die vorsieht, dass die maximal zulässige Tagesarbeitszeit zukünftig 12 statt 10 Stunden sowie 60 statt 50 Stunden pro Woche betragen soll.
Pressekonferenz zum 12-Stunden-Tag
Beispiele in der Praxis
ÖVP und FPÖ Einigung

Der SPÖ-Parlamentsklub hält eine Pressekonferenz mit dem Thema “Schwarz-Blaues Durchpeitschen des 12-Stunden-Tages im Parlament” mit SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ab. Derzeit sind nämlich 12 Stunden täglich bzw. 60 Stunden pro Woche nur zulässig, wenn ein vorübergehender besonderer Arbeitsbedarf vorliegt, ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Schaden droht und es eine entsprechende Betriebsvereinbarung gibt. Künftig sollen flexible Modelle auch ohne Betriebsvereinbarung möglich sein. An der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche ändert sich nichts. Für die 11. und 12. Stunde gibt es ein Ablehnungsrecht bei überwiegendem persönlichen Interesse. Bei den Zuschlägen sind keine Änderungen geplant.

SPÖ startet als “Notwehrmaßnahme” eigene Begutachtung

Die Wogen über die ÖVP-FPÖ-Pläne zur Arbeitszeitflexibilisierung, die auch die Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstags vorsehen, gehen auch am Tag nach Bekanntwerden des Vorhabens hoch. Heftige Kritik kam von SPÖ und Gewerkschaft. Die SPÖ kündigte ein eigenes Begutachtungsverfahren in der Causa an, der ÖGB prüft bei einer Sitzung Freitagmittag mögliche Maßnahmen bis hin zum Streik.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sprach bei einer Pressekonferenz von “erschreckenden Ereignissen” im Parlament. Für Unbehagen sorgt vor allem der Umstand, dass die Regierungsparteien das Gesetzesvorhaben noch vor dem Sommer im Parlament durchziehen wollen – ohne Begutachtung und ohne breite Diskussion. “Das hat’s noch nie gegeben im österreichischen Parlament, dass so ein weitreichendes und Millionen Arbeitnehmer betreffendes Gesetz so durchgepeitscht wurde.”

SPÖ und Gewerkschaft wurden am Donnerstag offenbar auf dem falschen Fuß erwischt, als die Klubs von ÖVP und FPÖ ihre neuen Arbeitszeitregeln als Initiativantrag im Nationalrat eingebracht hatten. Der Antrag wurde nicht dem Sozialausschuss, sondern dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen und soll bereits Anfang Juli im Nationalrat beschlossen werden.

Schieder sprach von gleich “mehreren Fouls” bei dieser von den Regierungsparteien gewählten Vorgangsweise und warf ÖVP und FPÖ “Sozialabbau und den Abbau von Arbeitnehmerrechten” vor. Es handle sich vor allem um ein Gesetz für die Wirtschaft. “Das Arbeitsleben von Millionen Arbeitnehmern wird dadurch weitreichend negativ beeinflusst.” Die SPÖ werde dies nicht einfach hinnehmen. “Wir werden uns zur Wehr setzen und als Notwehrmaßnahme eine eigene Begutachtung organisieren”, kündigte Schieder an. Unter der E-Mail-Adresse begutachtung@spoe.at sollen Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen bis Ende Juni die Möglichkeit haben, Stellungnahmen abzugeben. Die SPÖ werde diese dann in die parlamentarische Arbeit einbringen.

“Schritt zurück beim Arbeitnehmerschutz”

SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch bezeichnete die Regierungspläne als “ganz klar von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer bestellt”. Es handle sich um einen “Schritt zurück beim Arbeitnehmerschutz”. Muchitsch wies auf das gesundheitsgefährdende Potenzial eines 12-Stunden-Tags hin. “Je länger gearbeitet wird, umso höher steigt die Unfallgefahr.” Bei Pendlern bestehe nach einem solchen Arbeitstag bei der Heimfahrt hohe Übermüdungsgefahr.

Über das Vorgehen von ÖVP und FPÖ zeigte sich Muchitsch am Freitag immer noch “fassungslos”. Als Vorsitzender des Sozialausschusses habe er beiden Parteien ein ordentliches Begutachtungsverfahren und einen möglichen Beschluss in der ersten Plenarsitzung nach dem Sommer angeboten. Der “neue Stil” der Regierung sei aber “Drüberfahren”.

Nach der Pressekonferenz eilte Muchitsch zu einer ÖGB-Sitzung, bei der auch das weitere Vorgehen der Gewerkschaft beraten werden soll. “Ich bin überzeugt, es wird zahlreiche Aktivitäten geben.” Auf die Frage, ob Streiks geplant sind, sagte Muchitsch: “Eine gute Frage, die ich um 13.00 Uhr beantworten kann. Ich gehe davon aus, dass wir alle Möglichkeiten von Kampfmaßnahmen prüfen.”

SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek wies unterdessen vor allem auf die negativen Folgen für Frauen hin. Die Vorschläge der Regierung seien “extrem frauen-, familien- und gesellschaftsschädlich”, meinte Heinisch-Hosek.

Vergleiche mit den im Plan A der SPÖ vorgeschlagenen Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen, in denen von der Möglichkeit von zwölf Stunden täglicher Arbeitszeit bei Gleitzeit die Rede ist, wiesen die SPÖ-Vertreter zurück. Wenn die SPÖ von Flexibilität rede, sei damit Flexibilität für die Arbeitnehmer gemeint, von einem generellen 12-Stunden-Tag war nie die Rede und er sei für die Sozialdemokratie auch nicht vorstellbar, betonte Schieder.

Arbeitszeit – Wiener SPÖ ortet “massiven Angriff” auf Arbeitnehmer

Scharfe Kritik an den ÖVP-FPÖ-Plänen zur Arbeitszeitflexibilisierung, die die Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstags vorsehen, ist am Freitag auch aus der Wiener SPÖ gekommen. Landesparteisekretärin Barbara Novak bezeichnete das Vorhaben in einer Aussendung als “massiven Angriff” auf die Rechte der Arbeitnehmer.

Schon jetzt sei in Kollektivverträgen die Möglichkeit geregelt, flexibel und bei Bedarf auch 12 Stunden zu arbeiten. Der große Unterschied liege darin, dass bisher bei 12 Stunden ein Mehrarbeitszuschlag fällig sei. “Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden hier um ihr Geld und ihre Freizeit gebracht”, kritisierte Novak und kündigte an, gemeinsam mit der Gewerkschaft gegen “diesen Anschlag der Bundesregierung” vorgehen zu wollen.

AK bezweifelt Freiwilligkeit und kündigt Maßnahmen an

Die Arbeiterkammer (AK) kündigt Maßnahmen gegen die von der Regierung geplante Arbeitszeitflexibilisierung an. In welcher Art und Weise dies geschehen werde, könne und wolle sie heute noch nicht sagen, so AK-Präsidentin Renate Anderl am Freitag. Sie bezweifelt vor allem die Freiwilligkeit bei der Verlängerung der Höchstarbeitszeit. AK-Direktor Christoph Klein warnt außerdem vor Belastungen im Tourismus.

Anderl macht die gewählte Vorgangsweise der Regierung mittels Einbringung eines Initiativantrags im Nationalrat misstrauisch. “Wenn so ein Entwurf plötzlich am Tisch liegt, fragen wir uns, warum es keine Begutachtung gibt”, sagte die Präsidentin bei einer Pressekonferenz. Seitens der Koalition sei zwar viel von einer freiwillig möglichen Verlängerung der Höchstarbeitszeit die Rede. “Es sind aber viele Passagen drinnen, wo ich mich frage: Wie freiwillig ist die Freiwilligkeit? Es ist noch immer so, dass der Arbeitgeber den längeren Arm hat.”

Für den Arbeitnehmer stelle sich oft die Frage, wenn der Arbeitnehmer den Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit herantrage:”Sage ich zweimal Nein, habe ich dann immer noch einen Job?” Es liege außerdem auch im Ermessen des Arbeitgebers festzustellen, welche Gründe den Arbeitnehmer berechtigen, eine Verlängerung der Arbeitszeit abzulehnen. “Sind das nur Kinderbetreuungspflichten oder die Betreuung der Großmutter oder aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten, die man in Anspruch nehmen will?” Anderl erinnert dies an die Diskussion um den 8. Dezember. Zunächst sei die Intention gewesen, den Arbeitnehmern im Handel freizustellen, ob sie an diesem Feiertag arbeiten wollten – mittlerweile könne man von einer Freiwilligkeit aber nicht mehr sprechen.

AK-Direktor Christoph Klein warnt außerdem vor der geplanten Verkürzung der Ruhensbestimmungen für Tourismus-Mitarbeiter im “geteilten Dienst”. Statt bisher elf Stunden werden sie nur noch Anspruch auf acht Stunden Pause zwischen ihren Diensten haben – und das nicht nur in Saison-, sondern auch in Ganzjahresbetrieben. “Und da wundern wir uns, dass die Leute nicht mehr im Tourismus arbeiten wollen”, kritisiert Klein.

AK-Direktor überrascht von Regierungsplänen

Grundsätzlich ist Klein von den Regierungsplänen überrascht. “Ich hätte nicht gedacht, dass die Koalition so radikal vorgeht”, sagt der AK-Direktor. Dass die seit Jahrzehnten bewährte Höchstarbeits-Grenze von zehn Stunden täglich und 50 Stunden pro Woche nun generell auf 12/60 angehoben werden soll, habe er nicht erwartet.

Betroffen seien letztlich bis zu 3,7 Mio. Arbeitnehmer. “Das kann jeden treffen”, verweist Klein darauf, dass die meisten Arbeitsverträge die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden im gesetzlichen Rahmen enthalten. Arbeitnehmern, die Überstunden verweigern, drohe daher eine fristlose Entlassung. Ob die Verweigerung aus “überwiegendem persönlichen Interesse” gerechtfertigt war, entscheide dann das Arbeitsgericht, aber bis dahin sei der Job bereits verloren, warnt Klein.

Kritik übt er auch an der geplanten gänzlichen Herausnahme zusätzlicher leitender Mitarbeiter aus dem Arbeitszeitgesetz. Für sie würden dann gar keine Überstunden- und Arbeitszeitregeln mehr gelten. Betreffen könne das angesichts der vorliegenden Formulierung auch Softwareentwickler oder Betreuer in Wohngemeinschaften, befürchtet der AK-Direktor.

NEOS warnen vor EU-Rechtswidrigkeit

Die NEOS unterstützen zwar grundsätzlich die von der Koalition geplante Arbeitszeitflexibilisierung. Allerdings fordert NEOS-Arbeitsmarktsprecher Gerald Loacker eine ordentliche Begutachtung und warnt vor EU-rechtswidrigen Passagen. “Ja, die Arbeitszeitflexibilisierung ist überfällig. Wenn die Regierung aber glaubt, hier auf die schnelle ein Husch-Pfusch-Gesetz durchpeitschen zu können, liegt sie falsch”, so Loacker.

Dass ÖVP und FPÖ den Gesetzesvorschlag nicht in Begutachtung schicken, bezeichnet Loacker als “Frechheit gegenüber dem Parlament sowie den Bürgerinnen und Bürgern”. Er warnt, dass die geplanten Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz für zusätzliche leitende Mitarbeiter (“Dritte Ebene”) zu weitreichend seien und der EU-Arbeitszeitrichtlinie widersprechen könnten. Außerdem bringe der Entwurf “neue unbestimmte Rechtsbegriffe, die zukünftig für einige Rechtsstreitigkeiten sorgen werden”. Mehr Gewicht fordert er auch für Betriebsvereinbarungen.

ÖGB plant große “Aufklärungskampagne”

Der ÖGB will die Arbeitnehmer mittels großer “Aufklärungskampagne” über die von der Regierung geplante Arbeitszeitflexibilisierung informieren. Laut Josef Muchitsch, Chef der Bau/Holz-Gewerkschaft, sollen die Aktionen über den 4. Juli hinaus gehen. Details gab er gegenüber der APA nicht bekannt, um die schwarz-blaue Bundesregierung zu überraschen.

Der ÖGB habe sich am Freitag darauf verständigt, über die Betriebsräte und Belegschaftsvertreter eine “breit angelegte Aufklärungskampagne” für die Arbeitnehmer zu starten. Sie sollen die Fakten übermittelt bekommen, welche Auswirkungen der Gesetzesentwurf von ÖVP und FPÖ im Vergleich zu den aktuellen Regelungen hat. “Das ist der Start”, so Muchitsch. Die Aktionen sollen über das Beschlussdatum, den 4. Juli, hinausgehen: “Mit dem Durchpeitschen des Gesetzes am 4. Juli wird das nicht zu Ende sein, wie es sich die Regierung vielleicht wünscht. Diese Regierung kann sich auch während der EU-Ratspräsidentschaft schön warm anziehen.”

Ob auch ein Streik geplant ist oder was genau passiert, ließ Muchitsch offen. Man gehe nun wie die Regierung vor und werde nicht in den Dialog eintreten, sondern sie überraschen, kündigte er an.

APA/red

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