Dzevad Karahasan im Gespräch mit Michael Köhlmeier im TAS

“Der Trost des Nachthimmels” wird als ein erzählerisches Meisterwerk über die Blüte und den Zerfall eines islamischen Reiches gehandelt. Die Geschichte spielt in Isfahan, der Hauptstadt des Seldschuken-Reiches. Ebendort stirbt unerwartet ein hochangesehener Mann. Der Sohn des Verstorbenen fordert Aufklärung. An den Ermittlungen nimmt auch der Hofastronom Omar Chayyam teil. Er kommt zu dem Schluss, dass der Mann vergiftet wurde. Der 1953 in Duvno/Jugoslawien geborene Krahasan las Auszüge aus seinem Roman, an welchem er viele Jahre seines Lebens geschrieben habe. “Der kürzeste Weg ins Paradies und zumindest für einen älteren Mann führt über das Bett einer jungen Frau” war nur eine Stelle, welche tiefgründig auf die Geschichte der Offenbarung des Islams zur Zeit des Kalifen Osmans zurückführte. Karahasan beschreibt dabei Istahan als “die Stadt aller Städte”. In der schönen und reichen Witwe Huriyet wird der Leser auf eine Art Traumreise in eine längst vergangene Epoche entführt.
Mit epischer Kraft, den Scharfsinn und die Ohnmacht seiner Protagonisten im Blick, schildert der große bosnische Schriftsteller Dzevad Karahasan, wie der heraufziehende religiöse Fundamentalismus eine blühende, von geistiger Vielfalt und Toleranz geprägte Epoche zerstört. Im Anschluss an die Lesung hielt der in Hard geborene Michael Köhlmeier ein Dutzend spannender Fragen bereit, welche der bosnische Autor ausführlich zu beantworten wusste. Köhlmeier: “Ihr Buch ist unglaublich aktuell, obwohl es im elften Jahrhundert spielt.” Darauf entgegnete Karahasan: “Fast alle Figuren im Buch sind historische.” Die nächsten Fragen beliefen sich auf die sog. Assassine – Selbstmordattentäter: “Die Fundamentalisten haben alles unverständliche ausgetilgt, sie glauben, das sie alles wissen” sagte Karahasan und betonte zugleich: “Ein Mathematiker wie Hayan kann niemals ein Fundamentalist sein, denn er weiß, dass es viel Irrationales gibt, etwa unendlich viele Kommastellen.” Auf die Frage Köhlmeiers, warum er schreibe, gab er zur Antwort: “Ich schreibe in erster Linie um einen guten, geduldigen Gesprächspartner im Leser zu finden.”
Dževad Karahasan, 1953 in Duvno/Jugoslawien geboren, Erzähler, Dramatiker und Essayist. Die “Belagerung Sarajevos” war Thema seines in zehn Sprachen übersetzten “Tagebuchs der Aussiedlung” (1993) und seiner beiden Romane “Schahrijârs Ring” (1997) und “Sara und Serafina” (2000). Für den Essayband “Das Buch der Gärten” wurde er 2004 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet.