Stabilitätspakt: Wien will Ausnahme beim Schuldenmachen
“Man muss wieder Schulden machen dürfen, wenn diesen auch konkrete Werte gegenüberstehen”, betonte Brauner am Freitag. Etwa die Ausbildung von Menschen, die dann in Zukunft arbeiten und Steuern zahlen. Der einzige Haken an der Sache: Der österreichische Stabilitätspakt orientiert sich an den europäischen Maastricht- bzw. ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus)-Kriterien, ist also auf europäischer Ebene geregelt. Ein Alleingang Wiens bzw. Österreichs ist damit praktisch nicht möglich, ändern müsste sich das Gesetz in Brüssel.
Schuldenmachen trotz Stabilitätspakts
Dessen ist sich Brauner auch durchaus bewusst, den Stabilitätspakt will sie keinesfalls wieder aufschnüren. Vielmehr gehe es ihr um das Bewusstsein, wie wichtig Investitionen auch in Krisenzeiten seien – die Idee, Zukunftsinvestitionen von den strengen Regelungen auszunehmen, stamme auch nicht alleine von ihr. “Das ist eine europäische Diskussion, die in Österreich allerdings noch viel zu wenig angekommen ist”, erklärte die Finanzstadträtin. Denn die derzeitige “kurzsichtige” Austeritätspolitik verhindere nicht nur wichtige Investitionen in die wachsende Stadt, sondern habe auch Langzeitfolgen – etwa die zunehmende Arbeitslosigkeit.
Wien will weiter investieren
Der nächste Schritt führt für Brauner im Angesicht der bevorstehenden EU-Wahlen und der neuen Bundesregierung daher ins Bewusstsein der Menschen: “Man muss diese Botschaft auf mehreren Kanälen spielen, um Erfolg zu haben.” Zudem stehe man mit dieser Ansicht nicht alleine da, verwies die Finanzstadträtin etwa auf den europäischen Kommissar für Wirtschaft und Währung, Olli Rehn. Dass auch das kleine Österreich manchmal große EU-Regelungen beeinflussen kann, habe man etwa an der Diskussion um europäische Atomkraftwerke gesehen.
Renate Brauner kann keine Zahlen nennen
Für die Umsetzung dieser Idee gibt es laut Brauner gleich mehrere Modelle: Entweder man rechnet die Kosten komplett aus der Neuverschuldung oder es wird ermöglicht, große Investitionsposten wie etwa Gebäude über 30 Jahre hinweg abzuschreiben. Eine konkrete Summe, die sie gerne aus dem Pakt herausrechnen würde, konnte Brauner nicht nennen. Das käme auf die noch genau festzulegende Definition der “Zukunftsinvestition” an.
Als Beispiel führte sie jedoch etwa die derzeit laufende Schulsanierung um 600 Millionen Euro bzw. 770 Millionen für den Schulneubau an. “Wien ist eine wachsende Stadt”, so Brauner. Wolle man den Qualitätsstandard halten, seien neue Investitionen unumgänglich. Als zweites Beispiel für eine Zukunftsinvestition nannte Brauner das Campus Vienna Biocenter in St. Marx. Derzeit müsse man sich bemühen, möglichst “Maastricht-schonend” zu bauen und gehe daher viele Public-Private-Partnerships ein.
Nulldefizit im Jahr 2016
Denn Österreich bzw. das Land Wien, das sich wie die anderen Länder zur Einhaltung des Stabilitätspaktes verpflichtet hat, darf nur ein gewisses strukturelles Defizit aufweisen, im Jahr 2016 ist dann das sogenannte “Nulldefizit” vorgesehen. “Natürlich darf ich meinen laufenden Betrieb nicht mit Schulden finanzieren”, so Brauner. Bei wichtigen Investitionen, die sich in Zukunft lohnen, sehe das aber ganz anders aus. (APA)