AA

Drogen-Substitutionstherapie: Wiener Pionier und Oberster Sanitätsrat dafür

Drogensubstitution: Die Therapie ist derzeit sehr umstritten
Drogensubstitution: Die Therapie ist derzeit sehr umstritten ©Bilderbox (Sujet)
Zur laufenden Debatte über die Drogensubstitution als Therapieform spricht sich der Oberste Sanitätsrat (OSR) als unabhängiges Beratungsorgan des Gesundheitsministeriums vehement für diese Behandlungsform aus. Das sei die derzeit beste und international etablierte Behandlungsform für diese schwerkranken Patienten. Auch der Wiener Arzt Alexander David, ein Pionier auf diesem Gebiet, äußerte sich zur Substitutionstherapie.
Therapie-Stopp: Ärztekammer warnt
Überwachter Heroin-Konsum

“Die Erhaltungstherapie mit Opioiden (umgangssprachlich: ‘Substutionstherapie’) ist die geeignetste und international etablierte Form der Behandlung von opiatabhängigen Patienten, um das chronische Erkrankungsbild zu stabilisieren und gesellschaftspolitischen Schaden abzuwenden. Natürlich wäre eine Entwöhnung der Sucht (Heilung der Erkrankung, Anm.) das optimale Ergebnis, nur ist dies wie bei anderen chronischen Erkrankungen, z.B. Diabetes mellitus kaum möglich. Diese medikamentöse Behandlung gehört zweifelsohne in die Hände erfahrener Ärzte, um dieses schwere psychiatrische Erkrankungsbild professionell zu therapieren, denn es leiden diese Patienten auch zu mehr als 60 Prozent an Depressionen und Angsterkrankungen”, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme.

Verringert Substitutionstherapie Kriminalität?

Die Experten – Herzchirurg Ernst Wolner ist Vorsitzender des OSR, die Wiener Psychiaterin Gabriele Fischer beobachtet als international anerkannte Fachkraft die Situation permanent – betonten weiter: “Es ist unbestritten, dass im Zusammenhang mit dieser Therapie auch weiterhin kriminelle Handlungen gesetzt werden können, allerdings in einem signifikant geringerem Ausmaß im Vergleich zum unbehandelten Zustand. Hier gilt es, eine transparente Qualitätssicherung der Ärztekammer umzusetzen, überdies sind die zuständigen Behörden aufgefordert, den assoziierten Missbrauch möglichst umfassend aufzudecken und einzustellen.”

Die Angelegenheit hat Auswirkungen auch weitab der Gesundheitspolitik. “Abschließend muss Erwähnung finden, dass eine tägliche Therapie dieser Schwerkranken ca. acht Euro kostet, ein Tag im Gefängnis mehr als hundert Euro”, so die Angaben des Obersten Sanitätsrats.

Wiener Pionier: “Versachlichung hilft”

1987 begann der Wiener Arzt Alexander David damit, die ersten Opiatabhängigen mit dem Substitutionsmittel Methadon zu behandeln. Sein Fazit gegenüber der APA zu der aktuellen Diskussion, die speziell durch Wortmeldungen von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) ausgelöst worden ist: “Solche Diskussionen sind nicht neu. (…) Versachlichung hilft den Patienten, Verpolitisierung ist schlecht für die Betroffenen.” Man könne hier ganz leicht Ängste hervorrufen.David, seit Jahren Drogenbeauftragter der Gemeinde Wien, war von Anfang an in der Substitutionstherapie engagiert: “1987 hat es den ersten Erlass des Gesundheitsministeriums gegeben. Das erfolgte nach den Erfahrungen, die der Psychiater Otto Presslich als Leiter der Drogenambulanz an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien und ich in einem Probeversuch gemacht hatten. Presslich und ich verschrieben je 20 Patienten erstmals Methadon.”

Der Psychiater von der Universitätsklinik – sozial höchst engagiert, ein Mitbegründer der Österreichischen Aids-Hilfe – stand dabei unter dem Schutz der Universität Wien, weil er das als Forschungsprojekt deklarierte. Davids Aktivitäten wurden von den Wiener Gesundheitsbehörden stillschweigend toleriert. Man wartete dringend auf die Ergebnisse.

HIV in diesem Zusammenhang Thema

Ein Grund: In Tirol waren bereits Gerichtsverfahren gegen zwei Ärzte gestartet worden, die Opiatabhängige per Substitution behandelt hatten. Das zweite Faktum, so David: “HIV und Aids als Tragödie hat damals die Entwicklung beschleunigt. HIV hat der Gesetzgebung damals ordentlich Beine gemacht.” Es ging darum, durch die Substitutionstherapie möglichst viele Opiatabhängige vom Injizieren von Heroin wegzubringen. Infektiöses Spritzenbesteck ist ein Hauptübertragungsweg für HIV, Hepatitis B und Hepatitis C.

Der Wiener Drogenbeauftragte: “Innerhalb sehr kurzer Zeit waren damals die Drogenkranken zu der größten Gruppe unter den HIV-Infizierten geworden.” Österreich habe damals durchaus eine Vorreiterrolle in Europa gespielt: “Deutschland war da zum Beispiel extrem restriktiv. Österreich war innovativ.” Auch die Schweiz hätte erst nach bitteren Erfahrungen einen ähnlichen Weg beschritten.

Flächendeckendes Behandlungsnetz ist wichtig

Für David kommt es vor allem auf Bildung eines ausreichenden Behandlungsnetzes an: “Wir haben die Substitutionstherapie zum Hausarzt hin gebracht. Es ist voll gelungen, die Behandlung in die Medizin der Bevölkerung zu integrieren. Wir brauchen die Hausärzte, wir brauchen auch unbedingt die Psychiater und wir brauchen die spezialisierten Zentren.”

Diskussionen zu dem Thema werde es wohl immer wieder geben, so der Experte. Traditionell würden immer wieder eher restriktiv und ordnungspolitisch denkende Exponenten und Verantwortungsträger, welche die Behandlung der Patienten an die oberste Stelle rückten, kontroversielle Meinungen zur Substitutionstherapie äußern.

(apa/red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Drogen-Substitutionstherapie: Wiener Pionier und Oberster Sanitätsrat dafür
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen