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Psychisch Kranke erstach in Wien-Landstraße Obdachlosen: Prozess am Donnerstag

In diesem Haus in Wien-Landstraße geschah die Bluttat
In diesem Haus in Wien-Landstraße geschah die Bluttat ©APA
Jene 46-jährige psychisch kranke Frau, die im November des Vorjahres einen Obdachlosen mit 16 Messerstichen tötete, stand am Donnerstag in Wien vor Gericht. Die Bluttat hatte sich abgezeichnet: Die Frau war schon Monate vor der Tat von einer Gutachterin als sehr gefährlich eingestuft worden.
Details zur Angeklagten
Der Mord in Landstraße

Die 46 Jahre alte Frau, die am 2. November 2011 in einem Heim für ehemalige Obdachlose in Wien-Landstraße den 37-jährigen Günther F. mit 16 Messerstichen zu Tode gebracht hatte, ist am Donnerstag im Straflandesgericht rechtskräftig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.

Kein Mord: Täterin nicht zurechnungsfähig

Die gelernte Schweißerin leidet seit Jahren an einer ausgeprägten paranoiden Schizophrenie und war einem Gutachten der Psychiaterin Sigrun Rossmanith zufolge zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig. Sie konnte daher im strafrechtlichen Sinn nicht für die Bluttat zur Verantwortung gezogen werden, die ihr – hätte ihr die Sachverständige nicht eine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades bescheinigt – als Mord angelastet worden wäre.

Wie die Verhandlung deutlich zutage förderte, hatte sich schon Monate zuvor abgezeichnet, dass von der psychisch auffälligen Frau eine erhebliche Gefahr ausging. Sie fiel auf, indem sie in einer U-Bahn-Station während eines psychotischen Schubs Passanten bedrängte und dabei ein Messer mit sich führte. Die polizeiliche Sondereinheit WEGA musste anrücken, um die aggressive Frau zu bändigen. Sie wurde in eine psychiatrische Ambulanz gebracht, doch die 46-Jährige fühlte sich nicht krank. Sie hatte das Gefühl, man wolle sie mundtot machen und wegsperren, weshalb sie – wie etliche Male zuvor – wieder entwich, weil sie jede Form von Therapie ablehnte.

Angeklagte früh als gefährlich erkannt

Nachdem sie einen Wohnwagen aufgebrochen und dort einige Tage gelebt hatte, wurde sie von der Polizei aufgegriffen und kam in U-Haft. Ein Verfahren wegen Einbruchsdiebstahls wurde eingeleitet, wobei die erfahrene Gerichtspsychiaterin Rossmanith beigezogen wurde, um den psychischen Zustand der Frau zu untersuchen.

“Mir war klar, dass hier ein hohes Gefährlichkeitspotenzial vorhanden ist”, erinnerte sich Rossmanith nun vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Ulrich Nachtlberger) an ihre erste Expertise. Sie stufte die 46-Jährige bereits damals als höhergradig abnorm und zurechnungsunfähig ein und empfahl, die Frau im Maßnahmenvollzug unterzubringen, da ansonsten mit Gewaltdelikten und Sachbeschädigungen zu rechnen sei.

Aus rechtlichen Gründen war es der Justiz jedoch nicht möglich, dieser Empfehlung zu folgen: Zum Tatzeitpunkt Zurechnungsunfähige können nur dann von einem Gericht zwangsweise eingewiesen werden, wenn die sogenannte Anlasstat mit mehr als einem Jahr Haft bedroht ist. Das war beim Aufbrechen des Wohnwagens nicht der Fall, so dass die Anklagebehörde das Verfahren einstellen und die Frau enthaften musste.

Psychisch Kranke lief aus Spital fort

Sie wurde in weiterer Folge im Otto Wagner Spital behandelt, doch entzog sich die 46-Jährige auch dort, indem sie einfach davonlief. Die heutige Psychiatrie komme Krankheitsuneinsichtigen leider sehr entgegen, bedauerte Rossmanith in diesem Zusammenhang. Grundsätzlich würden viel zu viele Patienten vorzeitig entlassen: “Es genügt, wenn man sagt, man nimmt die Medikamente.”

In Bezug auf den gegenständlichen Fall habe sie in 30 Berufsjahren “selten jemanden in so einem Zustand erlebt. Es hat mich gewundert, wie es gelingt, dass jemand in so einem Zustand so lange unbehandelt in Freiheit ist”.

So kam es zu der Bluttat in Landstraße

Am 2. November lernte die Frau bei einem Würstelstand Günther F. kennen. Der nahm sie mit in sein Zimmer und bot ihr an, sich dort auszuruhen. Um 4.20 Uhr in der Früh attackierte sie ihn mit zwei Küchenmessern. “Ich dachte, er ist ein Auftraggeber, der mich töten soll”, erklärte die Frau den Geschworenen.

Die zwei Kanarienvögel des Heimbewohners hätten ihr das vermittelt. Sie habe “mit den Vögeln kommuniziert”. Deswegen sei sie “in Rage und Angst” gekommen, “sodass ich ein Messer nahm und auf ihn stürzte”.

Die 46-Jährige wird nun zeitlich unbefristet im Maßnahmenvollzug angehalten. Sachverständige überprüfen regelmäßig, ob die Therapie, welche die Frau seit Anfang November erhält, wirkt. Mit einer Entlassung kann sie erst dann rechnen, wenn sie als geheilt gilt und die Gutachter überzeugt sind, dass von ihr trotz der Tat in Landstraße keine Gefahr mehr ausgeht.

(apa/red)

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