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Der V-Stil war das Meisterstück

Toni Innauer: „Für den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee favorisiere ich einen Österreicher. Man kann unter dreien aussuchen.“
Toni Innauer: „Für den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee favorisiere ich einen Österreicher. Man kann unter dreien aussuchen.“ ©Stuppner
(VN) Toni Innauer über die Tournee und sein Meisterstück.
Wirbel um Innauer als ZDF-Moderator

In der Rangliste der beliebtesten Tiroler ist er aktuell die Nummer elf. Das ZDF engagierte ihn als Kommentator für die Vierschanzentournee. Und Toni Innauer startet gerade als „spätberufener Jungunternehmer“ durch. Im VN-Interview gestattet der 53-jährige Bezauer einen Rückblick auf eigene Erfolgsgefühle, auf schöne und schwere Zeiten in seiner Funktion als Nordischer Sportdirektor, gestattet einen Einblick ins private Leben und gibt einen Ausblick auf künftige Vorhaben und Projekte. Und Innauer nennt seine Favoriten auf den Sieg bei der Vierschanzentournee.

Zuletzt sorgten Sie für zwei Aufreger. Der erste betraf Ihre Tätigkeit als ZDF-Kommentator bei der Vierschanzentournee. Da wurde die deutsche Springer-Neidgenossenschaft wach.

Innauer: Das habe ich sehr entspannt gesehen, mich mit dem ZDF abgestimmt, die haben gesagt, sie wissen schon, welche Wahl sie getroffen haben. Für mich ist es eine spannende Abwechslung aber kein Hauptberuf, wie für andere, die es zum Schwerpunkt ihres Schaffens erklären. Ich habe nicht reagiert, der Sven Hannawald hat ja nichts Ehrenrühriges gesagt. Und dass sein Manager versucht, ihn ins Spiel zu bringen, ist wiederum sein Beruf.

Der zweite Aufreger: Während Ihrer Ära gab es auch die ersten Langlauferfolge für den ÖSV. Sie initiierten dann die Trennung mit dem Langlauf, auf dieser Goldmedaille liegt mit dem Fall Christian Hoffmann nun der Schatten des Dopings. Ist im Ausdauersport eine Spitzenleistung ohne leistungsfördernde Mittel überhaupt möglich?

Innauer: In vielen Sportarten ist es schwer, ohne Doping ganz vorne mitzuhalten, die jüngere Geschichte des Skilanglaufs weist zu viele positive Fälle auf. Vor 13 Jahren hab ich den Langlauf verlassen. Ich habe seinerzeit versucht, Doping über das eigene Lager hinaus zu bekämpfen, meine Direktiven als Sportdirektor waren unmissverständlich. Dr. Peter Baumgartl und ich forderten Monate vor der WM 1999 energisch Bluttests gegen EPO und bekamen von der medizinischen Kommission der FIS nicht einmal eine Antwort auf unseren Brief. Letztlich hat das meine Intuition bestätigt, dass nicht alle mein Interesse für sauberen Sport teilen.

Heißt es, dass ein gewisses Unbehagen und Misstrauen vorhanden war?

Innauer: Im Buch „Am Puls des Erfolgs“ beschreibe ich diesen Prozess: Ich konnte für mich nicht hundertprozentig ausschließen, dass – wann auch immer – auch in Österreich etwas passieren könnte. Es war eine spannende Geschichte mit dem Langlauf, mit der jahrelangen Aufbauarbeit, aber mein Herz gehörte dem Springen. Wer garantiert mir, dass nicht ein einzelner Athlet am Ende seiner Karriere sagt – wie vielleicht Christian Hoffmann ein Jahrzehnt später – entscheidet: andere tricksen auch, ich riskier’s! Da wollte ich nicht dabei sein.

Wie haben Sie es damals wahrgenommen: Jetzt ist das passiert, was ich erwartet habe? Oder es ist ein totaler Schock, was da passiert ist?

Innauer: Ich konnte es von außen nicht so einschätzen, ich habe auch bloß die offizielle Version der Geschichte mitbekommen. Gravierend ist es für mich 2006 geworden, mit der Razzia in Turin, als der Generalverdacht über alle nordischen Sportarten drübergestülpt wurde und großartige Erfolge der Springer und Kombinierer zur Nebensache wurden. Da war ich immerhin schon sieben Jahre weg von jeder Verantwortung. Ich darf bis heute noch Fragen dazu beantworten. Aber ich bin dafür, dass man diese Dinge nachfragt. Und ich bin dafür, wenn Fakten später aufkommen, und selbst, wenn der Betroffenen nicht mehr aktiv ist, geahndet werden. Der fatale Spruch, „Keiner fragt dich danach, WIE du gewonnen hast!“ soll nicht nur im Sport Vergangenheit sein.

Eine Zeit lang stand Österreich wegen der Humanplasma-Geschichte unter Generalverdacht. Gab es Indizien, dass Österreich ein Zentrum des Dopings war?

Innauer: Ohne die Beharrlichkeit des ÖSV wäre diesem Thema wohl kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen. Und wenn ich das heute von außen beurteile, dann müssen rund um die Humanplasma Dinge entstanden und passiert sein, die sich bis heute der Aufklärung entziehen. Dass da nicht bloß österreichische Sportler mitbeteiligt waren, scheint klar zu sein, ist aber ähnlich, wie das Gesamtausmaß der Fuentes-Geschichte, im Dunkeln geblieben. Österreich hat danach seine Hausaufgaben gemacht, und ein vorbildliches Antidopinggesetz eingeführt.

Sie sind Olympiasieger und haben als erster Springer der Geschichte fünf Mal die Idealnote 20 erhalten. Wie gut sind diese Ereignisse in Ihrer Erinnerung noch verankert?

Innauer: Ich habe das Glück, dass ich darüber bei Seminaren reden darf. Dadurch ist es recht gut präsent, nicht unbedingt im Alltag. Aber in diesen speziellen Situationen komme ich öfters dazu, mich mit dem Burschen zu identifizieren, der das vor 35 Jahren geschafft hat.

Was macht die Typen aus, was ist der Unterschied zwischen einem Star und dem bleibenden Superstar?

Innauer: Es ist schon so, dass sich der Extravertierte, der etwas von sich hergibt, leichter tut und das letztendlich zum Beruf macht. Der Franz steht klar dazu, das passt. Er sagt: mein Beruf ist es, Franz Klammer zu sein, wie Andi Goldberger – auch er hält gezielt und geschickt seine Popularität. Unsere Generation, vom Amateurstatut geprägt, kannte fast ausschließlich den Weg, über pure Leistung Anerkennung zu bekommen.

Ihre Laufbahn im Skiverband erstreckt sich über gut 30 Jahre. Was würden Sie in dieser Funktion als Höhepunkt herauspicken?

Innauer: Das sind unterschiedliche Dinge. Am meisten bleibt doch hängen, wenn eine persönliche, emotionale Bindung oder Beziehung, nicht nur zum Ereignis, sondern auch zu den handelnden Personen dahintersteckt. Das war, als ich Olympiasieger geworden bin – dieses Gefühl mit dem Trainer gemeinsam diesen Moment auszukosten, in dem so vieles zusammenkommt. Das ist schon sehr sehr intensiv. Der Respekt der Konkurrenz: Toni du hast es verdient. Es ist etwas ganz Tolles, das zu merken. Ich habe mir das Gefühl auch hart erarbeitet. Ich bin dann nachher viel mehr Teamplayer geworden. Als Trainer kann man nicht nur für sich denken, man muss einen Spirit hineinbringen. Drei Jahre hatte das Team keinen Weltcup gewonnen. Und dann den Durchbruch zu schaffen, zu zeigen, wir sind wieder da, das ist etwas Besonderes. Das Großartigste, das Meisterstück, für mich war die Umstellung auf den V-Stil. Es war einfach ein riesiges, tollkühnes Abenteuer, damals mit der erfolgreichsten Mannschaft zu sagen: wir stellen um. Das war ein Wahnsinnsfeeling. Dazu die Goldene im V mit dem Ernst Vettori, das sind schon Highlights.

Wie viel Toni Innauer steckt in den heutigen Erfolgen der Skispringer– die Dominanz ist ja beeindruckend?

Innauer: Was immer ich jetzt auch sage, soll die Arbeit meiner Nachfolger nicht schmälern. Aber wer etwas davon versteht und es realistisch sieht, die Namen der Sportler und Trainer kennt, der weiß, dass ich in entscheidenden Situation die Fäden zog. In den letzten 10 Jahren wurde eine Struktur aufgebaut, die es vorher im Skispringen nie gegeben hat. Wir haben es gemeinsam aufgebaut, auf vielen Ebenen Hand angelegt zu haben, maße ich mir schon an – nicht nur in Österreich. Es hängt ja alles zusammen: Wie man in der Sportpolitik versucht, die Regeln zu gestalten. Das sind Zusammenhänge, die Weitsicht und Durchsetzungsvermögen verlangten. Aber ich vergesse auch nie, dass ich das Glück hatte, in einem System mit Stams und Baldur Preiml Sportler zu sein und von Peter Schröcksnadel die Chance erhielt, als Direktor echten Profisport zu gestalten.

Sind Leute wie Schlierenzauer oder Morgenstern das Ergebnis harter Arbeit oder sind sie den außergewöhnlichen Talenten zuzurechnen?

Innauer: Es hat immer schon außergewöhnliche Talente gegeben, aber das ist wie in der Musik: Ohne erstklassige Lehrer, Komponisten und Instrumentenbauer kommen die Musiker weniger zur Geltung. Auch ein Schlierenzauer oder Morgenstern entwickeln sich in einem System, das es in der Perfektion vorher nicht gegeben hat. Sie müssen viele Fehler nicht mehr machen, die sehr viel Energie und Kraft kosten und in der Entwicklung einen leichten Knick geben. Viele Umwege, die ihrer Vorgänger sind ihnen erspart geblieben. Sie danken es mit der Erschließung neuer Dimensionen.

Wer an der Spitze Erfolg haben will, muss im Kindesalter die Hausaufgaben machen, das gilt wohl für alle Sportarten. Warum hat das Skispringen die beste Basis weltweit?

Innauer: Das beginnt schon in den kleinen Vereinen. Die Struktur ist wenig, ohne die Qualität der handelnden Personen. Noch als Sportdirektor war ich acht Jahre lang Trainer und Vizeobmann vom SV Innsbruck-Bergisel. Als Vater kam ich dazu und es war eine Fleißaufgabe. Aber es hatte Ausstrahlung und Wirkung auf andere Vereine. Durch meine Tätigkeit beim SV Innsbruck-Bergisel habe ich 1:1 gewusst, was im Nachwuchs los ist. Und damit konnte sehr viel mitgesteuert werden, ob es die Reglementgestaltung oder kindgemäße Wettbewerbsformen waren. Das führte dazu, dass ich mich vehement für die Einführung des Body-Maß-Index eingesetzt habe. Ich habe Gefahr für die heranwachsenden Springer fast täglich gespürt.

In Vorarlberg hat das nicht in diesem Ausmaß funktioniert.

Innauer: Wir haben in Vorarlberg recht engagierte Trainer gehabt, den Sepp Königer oder Jos Bär beispielsweise. Aber es gab immer Defizite aufgrund der Infrastruktur, es gab keine Ganzjahresschanzen. Da wir keine Universität haben, sind viele Experten beim Studium abgewandert. Man darf nicht vergessen: Vorarlberg hat immerhin schon vier Nationaltrainer im Skispringen herausgebracht, die sind aber alle nicht mehr im Ländle. Potenzial kann sich in Vorarlberg schon wieder entwickeln, es gibt immer wieder so kulturelle Schwankungen. Da sind die einen schon mit Erfolgen übersättigt, und im Ländle könnte mit der Faszination für die neuen Schanzen in einem Zeitraum von zehn Jahren Exzellentes wachsen.

Wer ist der Favorit auf den Sieg bei der Vierschanzentournee?

Innauer: Zur Belebung der Sache ist es gut, dass mit Anders Bardal und Tom Hilde die Norweger recht gut springen, auch die Entwicklung der Deutschen mit Severin Freund und Richard Freitag ist bemerkenswert. Die alle können durchaus an einzelnen Tagen ein Springen für sich entscheiden, für den Gesamtsieg favorisiere ich doch noch einen Österreicher. Da kann man sich dann von drei einen aussuchen. Von der Papierform wäre es der Andreas Kofler, weil er einen Riesenlauf hat. Aber es hat noch nicht jeder zugeschlagen, der als Favorit angereist ist. Auch ein Gregor Schlierenzauer und der Simon Ammann haben die Tournee noch nie gewonnen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für den Frauen-Skisprung­sport?

Innauer: Ich sehe das als ganz tolle Sportart für Mädchen und Frauen. Beim Frauen-Springen hängt die Leistungsfähigkeit – und ist das Dramatische in vielen anderen Sportarten – nicht davon ab, dass man sich relativ nahe an das Hormon- oder Muskelprofil von einem Mann annähern muss. Im Skispringen kann eine Frau ganz gut Frau bleiben, es ist nicht rein kraftdominiert.

Zum heutigen Leben. Auf der Homepage steht u. a.: Seminar zur Lebenskunst in einer beschleunigten Welt. Was ist Toni Innauer heute wichtig?

Innauer: Ich mache momentan recht viele Dinge mit gemeinsamem Nenner, die werden wir jetzt in einer Agentur bündeln. Seminare und Workshops, u. a. zusammen mit Dr. Christian Uhl, dem langjährigen Sportpsychologen unserer Springer oder Dr. Christoph Fischer einem Psychoanalytiker und Glücksforscher. In Innsbruck beziehe ich momentan das neue Büro der Firma „Innauer + (f)acts“. Schwerpunkte neben den Seminaren und Vorträgen sind Events, die sind die Domäne meines Geschäftspartners Wolfgang Schwarzmann. Der Aufbau einer Firma ist mit Risiko verbunden, auch für einen spätberufenen Jungunternehmer, eine interessante Geschichte, die mich auf Trab hält.

Ihr Lebensmittelpunkt wird auch in Zukunft Tirol bleiben?

Innauer: Das wird vorläufig Thaur bleiben. Ich habe aber immer probiert, meine Wurzeln zu pflegen. Meine Lieblingsbeschäftigung ist Wäldern, also der Wälder Dialekt. Mir gefallen die urolta Usdrück. Ich habe eine Fischerkarte für die Ach. Mein Heimatclub ist golferisch in Riefensberg, obwohl ich selten spiele. Ein paar Jahre habe ich probiert, eine Hütte oder Bauernhaus im Wald zu bekommen. Aber das hat sich nicht ergeben. Total ausschließen würde ich eine Rückkehr aber nicht.

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