Italiens Wirtschaftsminister Giulio Tremonti berief das nationale Finanzstabilitäts-Komitee zu einer Krisensitzung ein, um über die Marktturbulenzen zu beraten. Ministerpräsident Silvio Berlusconi will sich am Mittwoch erstmals seit längerem wieder zur Wirtschaftslage des Landes im Parlament äußern. Wegen der angespannten Situation verschiebt Spaniens Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero den Urlaub.
Die hohen Zinsaufschläge italienischer Anleihen erreichten sogar das bisher höhere Niveau spanischer Bonds. Dies gilt als Signal, dass Italien zum stärksten Wackelkandidaten in der Schuldenkrise aufsteigen könnte und damit Spanien ablösen würde. Beide Länder stemmen sich gegen ein Überschwappen der Krise von Ländern wie Griechenland, Irland und Portugal. Diese Staaten sind bereits auf Milliarden-Hilfen ihrer Euro-Partner angewiesen. Spanien und Italien haben sich harte Sparprogramme auferlegt, Berlusconis Mitte-Rechts-Regierung will binnen vier Jahren knapp 48 Mrd. Euro einsparen. Nach Griechenland, das nur ein zweites Hilfspaket vor der Staatspleite rettete, hat Italien mit 120 Prozent die größte Schuldenstandsquote aller 17 Euro-Staaten.
Dennoch sackte der italienische Aktienleitindex am Dienstag auf den tiefsten Stand seit 27 Monaten. “Der Markt fürchtet, dass die Welt in die Rezession zurückfällt, und die Staaten der europäischen Peripherie würden darunter am stärksten leiden”, sagte ING-Stratege Alessandro Giansanti. Geschürt werden die Ängste von einer Reihe schwacher US-Wachstumsdaten.
Am Rentenmarkt trennten sich Investoren vor allem von italienischen und spanischen Bonds. Die Renditen der zehnjährigen Anleihen stiegen in der Spitze jeweils auf den höchsten Stand seit 1997. “Die jüngsten Kursverluste der italienischen und spanischen Papiere sind fundamental nicht gerechtfertigt”, betonte Renten-Stratege Nick Stamenkovic von RIA Capital Markets. “Aber die Stimmung ist sehr negativ.” Investoren erhöhten daher ihre Wetten auf weiter fallende Kurse.
Die EU-Kommission versuchte unterdessen, Italien und Spanien den Rücken zu stärken. Beide Ländern seien auf dem richtigen Weg und hielten ihre Wirtschaft mit den notwendigen Schritten auf Kurs, sagte eine Kommissionssprecherin: “Wir haben Vertrauen in ihre Fähigkeiten.” Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurria. Italien treffe die richtigen Entscheidungen, sagte Gurria im Reuters-Interview. Das Land habe sein Defizit und seine öffentlichen Finanzen unter Kontrolle.
Gurria äußerte sich in Athen auch zuversichtlich, dass Griechenland seinen Schuldenberg in den nächsten rund zwei Jahrzehnten abbauen könne. Aber dafür müssten das Sparpaket und die Privatisierungsziele umgesetzt werden. “Klar und deutlich: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Umsetzung, die einwandfrei sein muss”, hieß es im OECD-Länderbericht zu Griechenland.