Österreichische Pressestimmen
Die Vorarlberger Nachrichten sehen Spannung – auch in Wien:
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wird sich gestern wirklich mit Landeshauptmann Herbert Sausgruber gefreut haben. Mag schon sein, dass er, Schüssel, zuletzt nicht einmal mehr ins Ländle reisen durfte. Doch was zählt das noch? Entscheidend ist nun etwas anderes: Vom Wahlsieg, den Sausgruber da erzielt hat, wird auch er profitieren; die Stimmung in der ÖVP wird nach einem solchen Zugewinn wohl über die Landesgrenzen hinweg wieder steigen, nachdem sie nach den Urnengängen in Kärnten und Salzburg sowie bei der Bundespräsidentschaftswahl so tief gefallen ist. Dieser gut gelaunte Bundeskanzler dürfte nun spätestens bei der morgigen Ministerratsvorbesprechung einem deprimierten Vizekanzler gegenüber sitzen: Für Hubert Gorbach ist dieses Wahldebakel eine besonders schwere Niederlage. Allein schon, weil er an der Seite von Dieter Egger persönlich mitgekämpft hat. Vor allem aber, weil die Machtverhältnisse in der FPÖ nun wohl definitiv zu seinen Ungunsten geklärt sind. Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider ist der Einzige, der den Freiheitlichen noch einen Wahlerfolg bescheren kann; das hat er im heurigen Frühjahr bewiesen. Die Partei wird sich also weniger denn je davon abbringen lassen (können), voll auf ihn zu setzen. Was das für die Koalition bedeutet? Spannung.
Die Salzburger Nachrichten kommentiert:
Das schwarze Vorarlberg ist bei der gestrigen Landtagswahl noch schwärzer geworden, über die übrigen Parteien kann der Mantel des Vergessens gebreitet werden. Die SPÖ als zweitgrößte Landespartei ist nicht einmal ein Drittel so stark wie Herbert Sausgrubers ÖVP, die Freiheitlichen nahmen die übliche Zertrümmerung hin, die Grünen das übliche kleine Erfolgserlebnis. Bundespolitische Schlussfolgerungen sind aus dem Vorarlberger Ergebnis nur bedingt zu ziehen.
Die Tiroler Tageszeitung ortet ein altes Rezept:
Der Erfolg der ÖVP hat einen Namen: Herbert Sausgruber. Der besonnene und spröde Sparmeister ist im Ländle anerkannt, bietet wenig Angriffspunkte. Vor allem aber ist er in seiner Partei unumstritten. Daher lief die Mobilisierungsmaschinerie reibungslos. Ausgerechnet der ÖVP gelang es, von der miserablen Wahlbeteiligung zu profitieren. Sie schaffte es, die eigenen Wähler an die Urnen zu bringen. Sich von Wien abzugrenzen und die Bundespolitiker fernzuhalten, ist im Ländle schon ein traditionelles Mittel zum Sieg.
Das ÖVP-nahe Neue Volksblatt titelt kurz Sieg:
Gewinnt die SPÖ bei einer Landtagswahl, ist das ein Denkzettel für die unsoziale Politik von Schwarz-Blau. Gewinnt die ÖVP wie gestern in Vorarlberg mit 55 Prozent, ist das auch ein Denkzettel für die Bundesregierung. So einfach ist Politik, wenn SPÖ-Politiker Wahlergebnisse kommentieren. Natürlich muss man auch nach einem Wahlsieg wie dem in Vorarlberg die Kirche im Dorf lassen: Das war ein Erfolg von Landeshauptmann Herbert Sausgruber und der Vorarlberger ÖVP. Andererseits kann der Erdrutsch-Sieg der ÖVP in Vorarlberg aber nicht als Aufstand gegen Wolfgang Schüssel und die schwarz-blaue Bundesregierung interpretiert werden, wie uns das die Roten mit abenteuerlichen Begründungen weismachen wollen.
Die Presse sieht keinen ungetrübten Freudentag für die ÖVP:
Denn erstens hat Sausgruber seinen Erfolg mit aufreizender Abgrenzung zu Bundespartei eingefahren. Das Beispiel wird 2005 bei der Steiermark-Wahl Schule machen. Mit dem absolutem Votum im Rücken wird sich Vorarlbergs Landeshauptmann zudem in der Abwehrhaltung gegen Verwaltungsreformpläne des Bundes bestätigt sehen. Zweitens wird die Halbierung der Freiheitlichen im Ländle wieder einmal das blaue Regierungsteam in Wien in die gewohnte Nachwahlpanik stürzen. Das macht die FPÖ unberechenbar und das ohnehin schwierige Regieren in Wien – Stichworte: Pensions-, Gesundheits- und Verwaltungsreform – wieder mühsamer. Noch dazu, wo der Vizekanzler aus Vorarlberg, Hubert Gorbach, von dem Desaster diesmal voll mitbetroffen ist. Aus dem Beweis, dass Vorarlberg (fast) so gut wie Kärnten ist, wurde nichts. Jörg Haider darf sich ins Fäustchen lachen.
Vorarlberg ist anders, schreibt der Kurier:
Die Vorarlberger haben jedenfalls deutlich gegen den Bundestrend gewählt. Die Volkspartei hat bei allen heurigen Wahlgängen teils schmerzliche Niederlagen eingefahren, nur Herbert Sausgruber konnte eine wirkliche Zeit der Ernte, nämlich seine, feiern. Mitverantwortlich dafür: Sein Kurs gegen die in Wien, ohne die Bundes-ÖVP beim Namen zu nennen – aber nicht von ungefähr waren VP-Bundespolitiker bei den Wahlveranstaltungen in Vorarlberg unerwünscht. Die Ländle-SPÖ wiederum hatte sich den Rückenwind von österreichweiten SPÖ-Wahlerfolgen dringend gewünscht. Der ist in Wahrheit ausgeblieben – entweder, weil die farblose Spitzenkandidatin zu wenig Segelfläche bot, oder weil nach dem Fiasko um das Wirtschaftsprogramm der Roten nicht mehr viel Rückenwind da war. … Die Freiheitlichen bekamen den Gegenwind, der die FPÖ landauf, landab umfegt, kräftig ins Gesicht – und das ausgerechnet in der Heimat des Vizekanzlers. Im Vergleich zu anderswo ist das Ergebnis zwar zweistellig. … Unter dem Strich bleibt: Das Ergebnis ist vor allem ein Vorarlberger Ergebnis. Weder kann es sich die Schüssel-ÖVP auf ihre Fahnen heften, noch sollte die Gusenbauer-SPÖ zu laut jubeln (bei genauer Analyse sollte sie in Wahrheit gar nicht). Nur bei der FPÖ ist – anderes Vorarlberg hin oder her – wieder einmal Feuer am Dach. Aber die ist lichterlohes Brennen ohnehin schon gewohnt.
Der Standard:
Das Ergebnis der Landtagswahlen in Vorarlberg muss in Wien Ratlosigkeit hinterlassen. Bundeskanzler und VP-Chef Wolfgang Schüssel hätte zwar allen Grund zur Freude, hat mit der Wählerentscheidung in Vorarlberg aber rein gar nichts zu tun. Er war während des Wahlkampfes seiner Vorarlberger Freunde praktisch mit einem Einreiseverbot belegt. Der regierende Landeshauptmann Herbert Sausgruber verbat sich alle Unterstützung aus Wien – und er hat damit Recht behalten. … Dieser Wahlerfolg ist ausschließlich auf Sausgruber selbst zurückzuführen. Der Landeshauptmann führte einen in jeder Hinsicht konservativen Wahlkampf: keine Aufreger, keine großen Themen, nur nichts ändern. … Die SPÖ mit Spitzenkandidatin Elke Sader konnte nur bescheiden profitieren. Parteichef Alfred Gusenbauer war zwar mehrmals im Wahlkampf zu Gast, konnte aber nicht wirklich etwas ausrichten, dafür auch nichts anrichten. Der Erfolg der SPÖ ist nicht auf eigene Kraft zurückzuführen, sondern auf den Absturz der FPÖ. … Für die FPÖ ist es auch diesmal wieder mit einer Katastrophe ausgegangen. Und zwar nicht nur mit einer mittleren, wie von der Parteispitze in Wien erhofft, sondern mit einer ausgewachsenen. Die FPÖ hat sich in Vorarlberg halbiert, und die Dimension ist angesichts der Ausgangslage von 1999 mit 27,4 Prozent gewaltig.