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Windows & Linux: Neue Töne

Jahrelang haben die Verfechter von Windows und Linux um das einzig wahre PC-Betriebssystem gestritten. Jetzt gehen Microsoft und Novell Partnerschaft ein.

Vor sieben Jahren veröffentlichte Microsoft im Internet den Ratgeber „How to Remove Linux and Install Windows“. Nur sieben Monate ist es her, dass das Linux-Unternehmen Novell auf der Cebit kleine Schaber mit der Aufforderung verteilte, den Windows-Aufkleber auf dem Computer abzukratzen. Jetzt haben beide Unternehmen überraschend eine Partnerschaft vereinbart.

„Damit ist uns wirklich ein Meilenstein gelungen“, sagt der Mitteleuropa-Chef von Novell, Volker Smid, im AP-Gespräch. „Die alten Probleme sind überwunden.“ Der Technik-Chef von Microsoft Deutschland, Michael Grözinger, spricht von einer grundlegenden „Veränderung in der Zusammenarbeit zwischen dem kommerziellen Software-Modell und den Vertretern des Open-Source-Modells“ und fügt hinzu: „Das soll kein Einzelfall bleiben. Andere Open-Source-Anbieter sind ebenfalls eingeladen.“

Beide Lager haben erkannt, dass in den IT-Abteilungen Windows und Linux längst friedliche Koexistenz pflegen. Beide Betriebssysteme hätten ihre Berechtigung, sagt Smid. „Die Anwendungszwecke sind sehr unterschiedlich.“ So ist Windows auf dem Desktop – also auf den Computern am Arbeitsplatz wie zuhause – nach wie vor das dominierende System. Anders sieht es in den Rechenzentren der Unternehmen aus, wo auf dem Server vielfach Linux seine Stärken ausspielt.

„Wenn einer unserer Kunden in heterogenen Szenarien für eine bestimmte Anwendung Linux einsetzen will, werden wir Suse Linux empfehlen“, erklärt Grözinger. Vertriebsmitarbeiter von Microsoft halten bei ihren Kundenbesuchen Coupons bereit für den einjährigen Support der Software Suse Linux Enterprise Server. Jährlich sollen 70.000 solcher Gutscheine verteilt werden.

Bei der Verbindung der beiden Plattformen bleiben die Mitarbeiter der IT-Abteilungen bislang meist auf sich allein gestellt. Dies galt bislang vor allem bei der Einrichtung von „virtuellen Maschinen“ – dabei werden auf einem Rechner simulierte Computer mit einem anderen Betriebssystem eingerichtet. Solche Virtualisierungen sind aus Kosten – und Platzgründen sowohl für das Testen neuer Software-Entwicklungen als auch für den laufenden Betrieb von Anwendungen ein wichtiger Trend der IT-Branche und daher auch Bestandteil des Abkommens zwischen Microsoft und Novell.

Bisher sei für diese virtuellen Maschinen kein Support gewährleistet gewesen, erklärt Novell-Manager Smid. Jetzt wollen die neuen Partner gemeinsam „ein Virtualisierungsangebot für Linux und Windows erstellen“. Microsoft-Technichef Grözinger stimmt zu: „Bei der Unterstützung der Virtualisierung mit Windows- und Linux- Maschinen wollen wir gewährleisten, dass die Integration optimal funktioniert.“ Das Marktforschungsinstitut IDC schätzt das Marktvolumen der Software-Lösungen für „virtuelle Maschinen“ bis 2009 auf 1,8 Milliarden Dollar. Der umfassendere Markt für das Management unterschiedlicher Computersysteme wird für 2010 mit 10,2 Milliarden Dollar beziffert.

Interessanter für Privatanwender ist die geplante Zusammenarbeit zur Harmonisierung von Dokumentenformaten. Hier haben sich sowohl Microsoft als auch das Open-Source-Lager auf den XML-Standard festgelegt, auf dieser Grundlage aber unterschiedliche Lösungen entwickelt. Das für Anfang 2007 angekündigte Microsoft Office 2007 speichert alle Dokumente im Format Open XML, die von Linux-Anwendern genutzte Open-Source-Software OpenOffice hingegen setzt das Open Document Format (ODF) ein. „Es geht darum, dass beim Abspeichern von Microsoft-Office-Dokumenten im ODF-Format alle Informationen später auch wieder in Open XML abgebildet werden können“, erklärt Grözinger.

Die zunächst bis 2012 abgeschlossene Vereinbarung schützt Novell auch vor möglichen Klagen, weil Microsoft in Linux die Verletzung von eigenen Patenten sieht. Vor allem aber verfolgt Novell mit dem Abkommen die Strategie, seine Stellung auf dem Markt für Linux- Lösungen weiter auszubauen. In Zentraleuropa liege Suse-Linux mit Red Hat etwa gleichauf, sagte Smid. Dabei habe Red Hat einen Vorteil beim Einsatz von Linux als Web-Server, während Suse-Linux vor allem in Rechenzentren genutzt werde. An dritter Stelle folgt das nichtkommerzielle Debian-Projekt. Auf diese drei Anbieter entfallen nach Schätzungen Smids 80 bis 90 Prozent des Linux-Geschäfts mit großen Firmenkunden. Jetzt verspricht sich der Novell-Manager Vorteile durch das Abkommen mit Microsoft und sagt: „Wir wollen unsere Marktanteile schneller ausweiten als andere.“

In Teilen der Linux-Szene wird die Vereinbarung aber skeptisch beäugt. „Wir fürchten, dass Novell der Bewegung für freie Software einen Bärendienst erweist“, sagt Jaoachim Jakobs, Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE) und fügt hinzu: „Die müssen aufpassen, dass sie vor lauter Liebe nicht erdrückt werden.“

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