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Wie schnell das Meer das Land verschluckt

Die Meeresspiegel steigen stetig an - bedroht davon sind nicht nur Küstenregionen einzelner Länder, sondern ganze Staaten.

Mit Satelliten und einem weltweiten Netz aus Überwachungsbojen haben Forscher inzwischen ein genaueres Bild davon, wie sich die Ozeane durch den Klimawandel ausdehnen. Einige Wissenschaftler glauben inzwischen, dass der Weltklimarat, der einen Anstieg des Meeresspiegels von 18 bis zu 59 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts erwartet, das Ausmaß des Phänomens unterschätzt.

Alle zehn Tage werde inzwischen Bilanz zum Wasserstand der Ozeane gezogen, die 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, sagt Philippe Escudier, Leiter der ozeanographischen Abteilung der Gesellschaft Collecte Localisation Satellites (CLS), welche die Bilder aus dem All auswertet. Diese liefern unter anderem der US-französische Satellit Jason 1 und der europäische Satellit Envisat.

Vertreter aus 26 Ländern, die mit Inseln nur knapp über der Meeresoberfläche um ihre Existenz bangen müssen, versammelten sich vergangene Woche bei einer Konferenz auf den Malediven, um über das Problem zu beraten. Für das Gastgeberland im Indischen Ozean bedeute ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter „den Tod der Nation“, sagte Präsident Maumoon Abdul Gayoom.

Im Schnitt sei der Meeresspiegel zuletzt um drei Millimeter pro Jahr angestiegen, sagt Anny Cazenave vom französischen Geoforschungsinstitut Legos. Seit Anfang der 90er Jahre habe sich das auf fünf Zentimeter summiert. Die Frage ist, ob sich der Anstieg nun deutlich beschleunigt, nachdem es immer klarere Hinweise auf ein Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen in den Polregionen gibt und der CO2-Ausstoß weiter ansteigt.

Neben Satelliten haben Bojen – in einem System namens Agro gibt es davon inzwischen 3.000 weltweit – in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Messung erlaubt. Der Planet kann heute als Ganzes überwacht werden, und selbst kleinste Veränderungen sind messbar. Dabei haben Forscher auch ein besseres Verständnis von der Ausdehnung des Wassers auf dem Planeten erhalten, was genauere Vorhersagen erlaubt.

Drei Faktoren führen zum Anstieg der Meeresspiegel: Die durch Erwärmung erzeugte Ausdehnung des Wassers, das Abschmelzen von Gletschern sowie das Abschmelzen von Eiskappen in polnahen Gegenden wie Grönland. In den vergangenen 50 Jahren hätten die Ozeane dabei “15 Mal mehr Wärme absorbiert als die Erde und 20 Mal mehr als die Atmosphäre“, sagt Cazenave. Der dadurch entstehende Ausdehnungseffekt trage mit 1,6 Millimetern zum jährlichen Anstieg des Meeresspiegels bei. Der Einfluss schrumpfender Gletscher, deren Wasser über Flüsse in die Meere gelangt, liege bei ungefähr 0,8 Millimetern. Die zurückweichende Eisdecke Grönlands mache 0,3 Millimeter pro Jahr aus.

Cazenave, die auch zu den Experten des UN-Klimarats gehört, stellt die Anfang des Jahres gemachte Prognose zum Anstieg des Meeresspiegels inzwischen in Frage. „Sie bezieht nicht das künftige Verhalten der polaren Eiskappen in Grönland und der Antarktis ein“, sagt die Forscherin. „Es scheint, dass die heutigen Modelle den Klimawandel unterschätzen.“

Neue Erkenntnisse aus der Satelliten- und Bojen-Überwachung ermöglichten es jetzt, die Tatsache in Rechnung zu stellen, dass lokale Ereignisse Folgen für andere Regionen haben“, sagt Escudier. Für Jean-Claude Gascard, der für das europäische „Damocles“-Programm zum Klimawandel in der Arktis arbeitet, geht es längst nicht mehr nur darum, möglichst genaue Informationen über die Auswirkungen auf die Ozeane zu erhalten: „Problem ist es heute herauszufinden, wie das Leben von Milliarden Menschen angepasst werden kann“, die entlang der Küsten rund um den Globus lebten.

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