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Wiener Polizei nach fallen gelassener Mordanklage unter Beschuss

In Wien saß ein Mordverdächtiger eineinhalb Jahre zu Unrecht in U-Haft. Anwälte fordern Konsequenzen, und die Staatsanwaltschaft prüft auf möglichen Amtsmissbrauch.

Die Wiener Polizei hat einmal mehr Erklärungsbedarf: Nachdem am vergangenen Freitag im Wiener Straflandesgericht die Mordanklage gegen einen 39-jährigen Mann fallen gelassen wurde, weil der einzige Belastungszeuge unter Wahrheitspflicht angab, er habe den Täter in Wahrheit gar nicht erkannt und sei von der Polizei zu einer Falschaussage gedrängt worden, fordern Anwälte Konsequenzen.


„Der Fall ist sehr aufklärungsbedürftig“, sagt der renommierte Strafverteidiger Manfred Ainedter. Seinem Eindruck zufolge sei „schlampig und in die falsche Richtung“ ermittelt worden. Dass auf Basis dessen ein Verdächtiger zu Unrecht eineinhalb Jahre in U-Haft saß, „passt ins Bild der derzeitigen Wiener Polizei“, so Ainedter, der für „Konsequenzen auf Führungsebene“ eintrat.


Der Anwalt des „falschen“ Mörders, Peter Philipp, hat bereits am Freitag angekündigt, er werde über den Weg der Amtshaftung für seinen Mandanten Haftentschädigung geltend machen. Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist man der Ansicht, dass dem 39-Jährigen eine solche wohl auch zusteht. Die Anklagebehörde kündigte außerdem an, die Vorgangsweise der ermittelnden Beamten – eine Gewaltgruppe der Kriminaldirektion (KD) 1, an deren Spitze ein mittlerweile suspendierter Chefinspektor stand, der zu freundschaftliche Bande mit dem Rotlichtmilieu unterhalten haben soll – jetzt auf ein mögliches amtsmissbräuchliches Verhalten zu überprüfen. „Wir haben eine Protokollabschrift der Verhandlung beantragt, werden uns das genau ansehen und behalten uns weitere Schritte vor“, so Behördensprecher Gerhard Jarosch.


Die Höhe der Haftentschädigung bemisst sich hierzulande an Richtsätzen, wie sie die Judikatur für Schmerzensgeldansprüche vorsieht. Bei „leichten Schmerzen“ würden dem Mann 100 Euro pro im Gefängnis verbrachten Tag zustehen, womit man insgesamt auf über 54.000 Euro käme. Bei zusätzlich erlittener Unbill wie gesundheitlichen Beschwerden, Einzelhaft oder versäumten Familienfesten könnte der 39-Jährige mit einer entsprechenden „Nachbesserung“ rechnen.


Die Republik Österreich gibt sich bei der Haftentschädigung übrigens vergleichsweise recht „knausrig“. Die Richtsätze des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind durchschnittlich doppelt so hoch.

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