In einem gemeinsamen Projekt des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), der Uni Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) machte sich ein interdisziplinäres Team den Umstand zunutze, dass Lawinen gleichsam die Klimageschichte der Alpen konservieren.
In ihrem Projekt “Neue Analysemöglichkeiten zur Bestimmung des Lawinengeschehens. Nachweis und Analyse von holozänen Lawinenereignissen” (HOLA) haben die Forscher die Region Oberer Zemmgrund in den Zillertaler Alpen unter die Lupe genommen. Dass dabei längst vergangene Lawinenereignisse im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses standen, hat einen guten Grund:
Mit den Schneemassen werden nämlich stets auch Pflanzen und Tiere an Plätze verfrachtet, wo das Material nicht oder nur sehr langsam verrottet. Konkret sind es vor allem die Ablagerungen in Mooren, die nun als Archiv herangezogen werden.
In den sauren Tiefen konserviertes Holz, Torf, Knochen oder auch beispielsweise Schneckenschalen sind für Botaniker und Paläontologen “biologische Datenträger” und liefern eine Fülle an Informationen. Anhand von erhaltenen Jahresringen von Bäumen lassen sich nicht nur genaue Datierungen vornehmen. Auch die Zeit im Jahr, zu der der Baum umgestürzt ist, lässt sich ablesen. In Zusammenarbeit mit Lawinenforschern und modernsten Simulationsmodellen lassen sich so Einblicke in die Klimageschichte der Alpen erarbeiten.
“Als ein Ergebnis des derzeit weltweit einzigartigen Projekts konnte bestätigt werden, dass etwa zwei Drittel der vergangenen 10.000 Jahre wärmer als gegenwärtig waren”, erklärte Roland Luzian vom BFW bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien.
In diesen Zeiten wanderte unter anderem die Baumgrenze um rund 100 Meter nach oben. Das ist ein Indiz, dass die Warmzeiten länger gedauert haben, als zur Waldentstehung nötig ist.
Durch weitere Analysen wollen die Wissenschafter nun auch ausloten, welche Auswirkungen die derzeitige Klimaerwärmung in den Alpen haben könnte, wie es mit der Entwicklung der Vegetation weitergeht oder auch, wo in Zukunft schwere Lawinenereignisse zu erwarten sind.
Laut Luzian lassen sich auch sogenannte “Worst-Case-Szenarien” aufzeigen. Offen ist derzeit noch, ob die neue Untersuchungsmethode auf weitere alpine Gebiete ausgedehnt und angewandt wird.