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Der "Floh im Ohr" in der Josefstadt

So ein "Floh im Ohr" ist eine lästige Sache. Er schaltet im Handumdrehen Verstand, Geduld und Augenmaß aus, stellt alle Tatsachen auf den Kopf und treibt, fest verbissen, zu Ausfälligkeiten an.

Hans-Ulrich Becker hat sich bei seiner Inszenierung des Verwechslungsklassikers von Georges Feydeau, die gestern, Donnerstag, im Theater in der Josefstadt Premiere feierte, an alle diese Naturgesetze gehalten.

Mit zielsicherem Klamauk und greller Ausstattung ließ sich das Publikum rasch begeistern und belohnte die sprühende Spielfreude des Ensembles mit unermüdlichem Amüsement über die immer gleichen Gags.

Alexander Pschills heiteres Gebrabbel etwa. Als Sekretär Camille, der wegen eines Sprechfehlers keine Konsonanten über die Lippen bringt, gab er den Tenor des Abends vor: Nicht so wichtig was, Hauptsache schnell, bunt und ausufernd.

Palmen wachsen waagrecht von der Zimmerwand, Doppelgänger lauern im Stundenhotel, der Onkel Doktor steht auf Luftballon-Sadomaso (nein, genauer will man es nicht wissen). Der Spanier stampft mit den Füßen und ruft regelmäßig “Caramba!” und der US-Amerikaner schwingt zu Cowboyhut und Stiefeln seinen Baseballschläger (aber nicht nur). Und die Puffmutter trägt ein Nonnenkostüm.

Erst im Sommer 2007 war Sona MacDonald – die hier die misstrauische Ehefrau Raymonde spielt – im “Floh im Ohr” in Kobersdorf zu sehen. Allerdings als Raymondes Freundin Lucienne, die ihr mit einem folgenschweren gefälschten Liebesbrief helfen will, den Ehemann der Untreue zu überführen, und die nun von Katharina Pichler gegeben wird.

Ihr heißblütiger Gatte Carlos machte Michael Dangl sichtlich Spaß und löste beim Premierenpublikum schon mit einem Blick gute Laune aus, ganz zu schweigen von seinem Revolver. Neben Toni Slama als schmierigem Anwalt Tournel, der auf Raymonde scharf ist, und dem skurrilen Arzt Finache (Peter Scholz) kommt Andre Pohl als eigentlich treuer, doch vielfach – weil mit Doppelgänger geschlagen – verwechselter Chandebise geradezu gewöhnlich daher, an einem solchen Abend gibt es aber kaum etwas Erfrischenderes.

Als “bürgerliche Farce” hatte man das Stück, das in der Übersetzung von Elfriede Jelinek gespielt wurde, angekündigt. Doch die Inszenierung kippt nicht – oder sehr viel zu früh – in jene entlarvende Groteske, die die Doppelbödigkeit der bürgerlichen Moral auf dem Silbertablett servieren könnte.

Stattdessen hat sich Becker konsequent dafür entschieden, die Nähte von Anfang an platzen zu lassen und alles auf die Karte der flotten, schrill ausstaffierten (Bühne: Alexander Müller-Elmau) Berechenbarkeit zu setzen. Damit man schon lachen kann, ehe etwas Lustiges passiert – schließlich ist nach dem Gag vor dem Gag.

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