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Coffee to Klo: Wiener Bäcker lädt zur "süßen Sitzung"

Eine Floridsdorfer Konditorei lässt ihre Gäste auf Häuslattrappen Platz nehmen. "Bei Bestellwunsch spülen" ist das Konzept des Betreibers des ungewöhnlichen Lokals. Video 

Marcel Duchamp meets Floridsdorf: Die Idee der Zweckentfremdung stinknormaler Klo-Möbel, mit der der Franzose vor knapp 100 Jahren für Wirbel im Kunstbetrieb sorgte, hat nun auch in einer Konditorei am Wiener Stadtrand Einzug gehalten – vermutlich mit weit weniger Skandalpotenzial. Denn der nämliche Backshop, in dem Gäste Kaffee und Kuchen nicht nur auf Stühlen, sondern auch auf Kloschüsseln “genießen” können, entpuppt sich auf den zweiten Blick als weit weniger toilettenaffin als der Name “Süßes Häusl” verspricht.

Angesichts des auf der Fassade zu sehenden Logos – ein weiß-gräulicher Abort samt Spülkasten auf rotem Hintergrund – mag mancher Besucher womöglich auf eine Vollmöblierung mit Sanitärporzellan hoffen. Tatsächlich finden sich im kleinen Gästezimmer hinter dem eigentlichen Verkaufsraum lediglich vier WCs entlang einer Wand, während ansonsten die üblichen Konditorei-Tischchen und Sessel als Bestuhlung dienen. Aber wer mag oder bei vollem Haus keinen anderen Platz findet, kann sich gerne auch auf die noch unbebrillten Schüsseln niederlassen, erklärt Betreiber Meinrad Stohr.

Der gebürtige Schweizer sieht in seinem eigenwilligen Interieur jedenfalls kein unappetitliches Surrounding für das feilgebotene Backwerk. “Das gehört doch zusammen”, so seine lapidare Umschreibung für den Kreislauf des Lebens. Will sagen: “Was vorne reinkommt, muss hinten auch wieder raus.” Funktionstüchtig sind die neuen – wie Stohr versichert – Häuslattrappen freilich nicht. Dank eingebautem Tonband erklingt beim Ziehen an der Schnur trotzdem das typische Spülgeräusch, demonstriert der Konditor nicht ohne Stolz und gibt praktische Tipps: “Bei Bestellwünschen einfach betätigen, und schon kommt jemand angerauscht.”

Eine “besondere Leidenschaft” für das stille Örtchen will sich der Eidgenosse nicht unterstellen lassen. Ihn gänzlich von jeglicher diesbezüglicher Obsession freizusprechen, scheint aber ebenso unangebracht. Schließlich hat der Bäckermeister unter den Glasplatten der Tische selbst geschossene Fotos von variantenreich gestalteten Klodeckeln platziert. “Alles eigene Airbrush-Arbeiten”, outet sich Stohr als Hobbykünstler. An die 150 verzierte Toilettenabdeckungen habe er – damals noch in seiner Schweizer Heimat – verkauft. Sofern genügend Zeit vorhanden, will er für die Vollendung der WCs in seinem “Cafe-Bistro” noch einmal zur Sprühpistole greifen. Der eigentliche, seinem Zweck entsprechende Lokal-Abort soll jedoch im momentanen, schlichten Design belassen werden.

Neben allerlei Plundergebäck und Snacks bietet der Backshop in der Leopoldauerstraße auch eine kleine Auswahl an Schweizer Spezialitäten wie den Sonntagszopf – eine Art Striezel – oder sogenannte Wähen, pikant oder süß belegte Mürbteigkuchen. Kloaffine Namensgebungen sucht man auf der Speisekarte glücklicherweise vergebens.

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