Im Mittelpunkt seiner Gespräche mit Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann (S) wird die serbische EU-Annäherung stehen, die seit einem Jahr von den Niederlanden blockiert wird. Österreich gilt innerhalb der EU als einer der größten Fürsprecher Serbiens.
Tadic wird um 13.00 Uhr von Bundespräsident Fischer in der Wiener Hofburg zu einem informellen Mittagessen empfangen. Um 14.30 Uhr war ein Gespräch mit Bundeskanzler Faymann auf der anderen Seite des Ballhausplatzes geplant. Anschließend wollten der Kanzler und der serbische Präsident vor die Presse treten. Zwar hat der Staatspräsident auch in Serbien nur eine zeremonielle Funktion, doch ist Tadic als Chef der regierenden Demokratischen Partei (DS) der eigentliche starke Mann der serbischen Regierung.
Im Mittelpunkt der Gespräche wird die serbische EU-Annäherung und die Rolle Österreichs dabei stehen, verlautete im Vorfeld aus Hofburg und Bundeskanzleramt. Serbien erwartet sich österreichische Unterstützung bei der Deblockade seiner EU-Annäherung.
Fischer war im September am Rande der UNO-Generalversammlung mit Tadic zusammengetroffen. Im Anschluss meinte Fischer, er bewundere, wie der serbische Präsident die “schwierige Aufgabe” bewältige, sein Land an Europa heranzuführen. Der Bundespräsident hielt zudem im Oktober in Berlin bei der Verleihung eines Europa-Preises an Tadic die Laudatio und appellierte dabei an die EU, Serbien entgegenzukommen.
Die Niederlande legen sich gegen die Umsetzung des Interimsabkommens und des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) der EU mit Serbien quer, weil Belgrad den meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic noch nicht an das Haager UNO-Tribunal ausgeliefert hat. Wegen des monatelangen Stillstands hat Belgrad mittlerweile die Absicht, bis Juni einen EU-Beitrittsantrag zu stellen, fallen gelassen. Stattdessen drängt Belgrad auf eine Aufhebung der Visapflicht für seine Staatsbürger in den EU-Staaten noch heuer.
Außenminister Michael Spindelegger (V) sagte am Montag nach einem Gespräch mit seinem serbischen Amtskollegen Vuk Jeremic in Wien, Österreich verstehe sich als “Anwalt der Interessen Serbiens” in der EU. Jeremic dankte Österreich dafür, dass es auch in den derzeitigen “schweren Stunden” ein “großer Befürworter” der EU-Integration des Westbalkan geblieben sei. “Das ist eine gute Nachricht für uns.”
Tadic wird mit seinen österreichischen Gesprächspartner auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen erörtern. Schließlich ist Österreich von allen EU-Staaten der größte Investor in Serbien. Österreichische Banken kontrollieren nach Belgrader Angaben ein Drittel des serbischen Finanzsektors. Belgrad befürchtet, dass diese Banken vor dem Hintergrund der Finanzkrise Einlagen abziehen könnten.
Während der eineinhalb Jahre dauernden Wiener Direktgespräche zwischen Belgrad und Pristina war Tadic ein häufiger Gast in der österreichischen Hauptstadt gewesen. Die Gespräche scheiterten jedoch an den unversöhnlichen Standpunkten der beiden Konfliktparteien, und Pristina verkündete im Februar 2008 mit Unterstützung des Westens einseitig die Unabhängigkeit von Serbien. Belgrad zog daraufhin auch seinen Botschafter aus Wien ab. Tadic setzt mit seinem Besuch einen Schlusspunkt unter diese monatelangen diplomatischen Irritationen zwischen Wien und Belgrad, obwohl sich Serbien weiterhin nicht mit der Unabhängigkeit seiner früheren Provinz anfreunden kann.
Am Dienstagabend wollte Tadic in Wien auch ein Verbindungsbüro seiner Demokratischen Partei (DS) eröffnen. Rund 180.000 Serben leben in Österreich. In nationalistischen Kreisen der serbischen Diaspora ist Tadic aber nicht gut angeschrieben. Voriges Jahr hatte es Berichte gegeben, dass in Wien für ein Attentat auf ihn Geld gesammelt wird. Im Juni wurde Tadic auf Plakaten in Wien als “Faschist” beschimpft und im August ging im Wiener Büro der Diaspora-Zeitung “Vesti” ein Drohbrief gegen den Präsidenten ein. Zwei Wochen nach der Auslieferung des bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic ans Haager Tribunal wurde Tadic mit einem Selbstmordanschlag bedroht, weil er “serbische Idole” festnehmen lasse.