Kroatien sei zu einem Kompromiss auf Grundlage des jüngsten Lösungsvorschlags von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bereit, sagte Staatspräsident Stjepan Mesic am gestrigen Montag in seiner wöchentlichen Radiosendung. Demnach würde Zagreb das von Rehn vorgeschlagene fünfköpfige Ad-hoc-Schiedsgericht akzeptieren, wenn drei Richter vom Haager Internationalen Gerichtshof (IGH) oder dem Hamburger Seegerichtshof kommen würden.
“Wenn es der slowenischen politischen Elite so schwer fällt, die Lösung der Grenzfrage einem internationalen Gericht zu überlassen, könnten wir zustimmen, dass diese Frage durch ein Schiedsverfahren gelöst wird, wobei je ein Mitglied von Kroatien und Slowenien und drei Mitglieder vom Gericht in Den Haag oder Hamburg gestellt werden”, sagte Mesic. Rehn hatte vorgeschlagen, dass die EU den Vorsitzenden des Schiedsgerichts ernennt und dieser zwei weitere Richter auswählt. Der EU-Kommissar könnte somit IGH-Richter auswählen, um die Forderung des kroatischen Präsidenten zu erfüllen.
Die kroatische Regierung beharrt zwar weiterhin auf einer Befassung des IGH, aber nur noch “aus taktischen Gründen”, schreibt die gut informierte Zagreber Tageszeitung “Jutarnji list” am Dienstag. “Der Vorschlag, von dem Mesic gesprochen hat, ist die realistischste Option”, nährt die Zeitung Erwartungen, dass es beim Treffen Rehns mit den beiden Außenministern Samuel Zbogar und Gordan Jandrokovic am morgigen Mittwoch zu einem Durchbruch in dem Konflikt kommen könnte. Rehn selbst zeigte sich am Montag nach einem Treffen mit dem kroatischen Außenminister Jandrokovic in Brüssel zurückhaltend. Er hoffe auf eine Annäherung am Mittwoch, sagte er.
Kroatien fordere eine Entkoppelung des Grenzstreits vom EU-Beitrittsprozess, eine Aufhebung der slowenischen EU-Blockade sowie eine Entscheidung durch ein internationales Rechtsgremium, sagte Jandrokovic. Rehns Vorschlag steht im Einklang mit diesen “drei Prinzipien”. So müsste Slowenien sein EU-Veto zurückziehen, sobald sich die Streitparteien auf die Einsetzung des Schiedsgerichts verständigt hätten. Dieses soll seinen Schiedsspruch bis Jahresende präsentieren. Damit wird der slowenischen Forderung nach einer Klärung des Grenzstreits noch vor Abschluss der kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen entsprochen, ohne die beiden Fragen zu junktimieren.
Ljubljana lehnt ein langwieriges IGH-Verfahren ab und fordert eine Lösung des Grenzkonflikts vor dem kroatischen EU-Beitritt. Zagreb habe die beiden Fragen selbst vermengt, indem es in den Beitrittsgesprächen Dokumente vorgelegt habe, die den ungeklärten Grenzverlauf vorwegnehmen. Diese Dokumente, auf die Zagreb nicht verzichten will, waren der Anlass für das im Dezember von Slowenien eingelegte Veto.
Der größte Stolperstein im jüngsten Rehn-Vorschlag ist das Mandat des Schiedsgerichts. Kroatien stemmt sich nämlich gegen die Berücksichtigung des völkerrechtlichen “Prinzips der Gerechtigkeit” (“ex aequo et bono”) beim Schiedsspruch. Das Prinzip besagt, dass die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der beiden Streitparteien gebührend berücksichtigt werden sollen, also etwa der weitaus kleinere Meereszugang Sloweniens.
Klar ist, dass für Kroatien am Mittwoch sehr viel auf dem Spiel steht. Das Treffen gilt als letzte Chance, eine möglicherweise jahrelange Verzögerung des kroatischen EU-Beitritts abzuwenden. Sind die slowenischen Bedenken bis zur nächsten Runde der Beitrittsgespräche am Freitag nicht ausgeräumt, ist wohl an einen Abschluss der Verhandlungen bis Jahresende nicht mehr zu denken. Im zweiten Halbjahr ist der EU-Entscheidungsapparat nämlich wegen der Europawahlen im Juni und der im Herbst bevorstehenden Neubestellung der EU-Kommission gelähmt. Auch kann sich Zagreb kein weiteres Nein in den seit Jänner laufenden Vermittlungsbemühungen Rehns leisten. Zagreb hatte nämlich bereits die von Rehn angebotene Vermittlung durch Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari abgelehnt, weil dieser kein Rechtsexperte sei. Lehnt Zagreb nun auch den neuen Rehn-Vorschlag ab, würde es die Sympathien vieler EU-Staaten verspielen und damit sein wichtigstes Kapital im Konflikt mit dem EU-Mitglied Slowenien.