Kroatien: Beitrittsgespräche rücken in weite Ferne
Kroatien laufe die Zeit davon, hieß es am Freitag in
Ratskreisen in Brüssel. Unabhängig von den Grenzstreit mit Slowenien
habe sich die Einschätzung Kroatiens in den Bereichen
Rechtssicherheit, Korruption und Privatisierung verschlechtert,
sodass auch aus inhaltlichen Gründen ein Abschluss 2009
möglicherweise nicht mehr zustande komme, sagte ein Diplomat.
Die EU-Kommission hat Kroatien einen Abschluss der
Beitrittsverhandlungen mit Ende diesen Jahres in Aussicht gestellt,
dies allerdings nie als verbindliche Frist verstanden. Nach mehreren
bisher erfolglosen Vermittlungsversuchen von EU-Erweiterungskommissar
Olli Rehn werden die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg
versuchen, eine “vernünftige” Lösung in den durch Slowenien
blockierten Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zu finden, doch werde
es keine Druckmittel geben. Diplomaten in Brüssel gehen davon aus,
dass am Montag noch keine Lösung in dem seit Dezember schwelenden
Streit gefunden wird. Dem Vernehmen nach sollen sich die beiden
Konfliktparteien bis zum 1. Mai zu dem neuen Kompromissvorschlag von
Rehn äußern.
Wie in EU-Diplomatenkreisen am Freitag erklärt wurde, sei die
“Stimmung in den anderen Mitgliedsländern alles andere als positiv
gegenüber Slowenien”. Allerdings werde die Beitrittsfrage mit
Einstimmigkeit entschieden, “daher hat Slowenien ein sehr starkes
Instrument in der Hand und das spielen sie voll aus”. Dem Vernehmen
nach zeigt Zypern als einziges der 26 anderen EU-Länder Verständnis
für die slowenische Beitrittsblockade. Zypern selbst hatte in den
EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mehrfach mit Veto gedroht
und befürchtet offenbar eine Schwächung der eigenen
Verhandlungsposition gegenüber Ankara, sollte der Widerstand
Ljubljanas von den EU-Partnern gebrochen werden.
Der “Druck wird zunehmen”, aber gleichzeitig warnten Diplomaten
davor, ob Slowenien sich dadurch bewegen wird. “Wir stehen vor der
unveränderten Situation, dass Slowenien zwölf Verhandlungskapitel mit
Kroatien blockiert. Wir meinen, dass bilaterale Fragen (im
Grenzstreit mit Kroatien, Anm.) die Beitrittsverhandlungen nicht
belasten dürfen”, sagte ein EU-Diplomat. Slowenien begründet seine
Blockade der zwölf Kapitel mit von Kroatien im Rahmen der
Beitrittsverhandlungen vorgelegten Dokumenten, die den bilateralen
Grenzverlauf zugunsten Zagrebs präjudizieren sollen.
Rehn hatte den beiden Streitparteien am Mittwochabend einen neuen
Vorschlag zur Lösung des Grenzkonflikts vorgeschlagen, der die
kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen seit Dezember lähmt.
Kroatischen Medienberichten zufolge ging der EU-Kommissar dabei
weitgehend auf die Forderungen Zagrebs ein, das bisher auf einer
Anrufung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) im Grenzstreit
beharrt hatte. Nach dem neuen Vorschlag soll ein fünfköpfiges
Ad-hoc-Schiedsgericht eingesetzt werden, wobei drei Mitglieder vom
IGH-Präsidenten ernannt würden. Slowenien lehnt ein möglicherweise
mehrere Jahre dauerndes IGH-Verfahren ab, weil es den Konflikt vor
dem EU-Beitritt Kroatiens gelöst sehen will.