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Kitz-Opfer Albrecht: "Ich hatte Glück, dass ich noch hier bin"

Daniel Albrecht (SUI) bei der Pressekonferenz in Kitzbühel
Daniel Albrecht (SUI) bei der Pressekonferenz in Kitzbühel ©APA
Es ist nicht die erste Pressekonferenz gewesen, die Daniel Albrecht seit seinem Aufwachen nach dem schrecklichen Unfall am 22. Jänner 2009 im Kitzbüheler Abfahrtstraining gegeben hat. Aber sie erforderte Mut, denn der Schweizer wagte die Rückkehr in die Gamsstadt, den Schritt auf die Streif setzte er jedoch nicht.

“An die Strecke werde ich gehen, wenn ich das Rennen fahren werde. Weil dann weiß ich, ich bin wieder fit, ich bin wieder der Herrscher, dann kann ich der Piste auch zeigen, dass ich der Chef bin und nicht die Piste”, sagte der 26-Jährige.

Bis dahin wird noch Zeit vergehen, Zeit, die sich Albrecht nehmen wird, um noch mehr von dem zurückzuerlangen, was ihn vor nicht all zu langer Zeit zum Weltklasseläufer gemacht hat. “Es würde vielleicht schon funktionieren, aber es wäre noch zu früh. Ich muss auch auf meinen Verletztenstatus aufpassen. Ich habe gesehen, dass sehr, sehr viele die Athleten, die mit Verletztenstatus zurückkommen, sich gleich wieder verletzten.”

Er stellte sich also die Frage, ob jene Sportler, es zu früh wieder probiert haben, und er fand seine Antwort: “Mach es nicht zu früh, warte, bis du wirklich so weit bist, und dann mach es. Im Moment wäre es noch etwas zu früh.” Wichtig sei für ihn, zu wissen, dass er zurückkommen könne. “Wann es sein wird, weiß ich nicht.”

Das Schweizer Fernsehen hat Albrecht im vergangenen Jahr mit Kameras begleitet und zeigte zu Beginn der Pressekonferenz eine Zusammenfassung der Dokumentation. Der fatale Sturz bei 140 km/h am Zielsprung, der wuchtige Aufprall auf der pickelharten Piste – die Sturzbilder hat Albrecht mittlerweile schon viele Male gesehen, erinnern kann er sich aber nach wie vor an nichts. Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, Gehirnblutungen, eine Lungenquetschung. Fast drei Wochen lag der Walliser im künstlichem Tiefschlaf und kämpfte sich danach ins Leben zurück.

Der Mensch Daniel Albrecht hatte Schwierigkeiten, sich an Personen, selbst sein vertrautestes Umfeld zu erinnern. Zum Teil habe er noch Probleme, die richtigen Bezeichnungen für Dinge zu finden, aber jetzt erkenne er, wenn er einen Fehler mache und überlege, wie die richtigen Wörter heißen. Er kann sich an vieles wieder erinnern, was früher passiert ist, fühlt sich dabei aber wohl mehr als Betrachter einer Szenerie, denn er erklärte. “Es ist, wie wenn ich einen Film geschaut hätte. Ich weiß, was in dem Film passiert ist, aber der Bezug fehlt.”

Der Skifahrer Daniel Albrecht litt unter schlechten Orientierungssinn und beeinträchtigter Reaktionsfähigkeit, hatte Koordinationsschwierigkeiten und überforderte mit hartem Training seinen Körper und den Geist, weshalb Überlegungen für ein Comeback in Sölden oder Übersee verworfen wurden. Doch geblieben war ihm das Gefühl für den Ski und den Schnee. “Zum Glück”, merkte Albrecht an. Denn darauf musste er aufbauen. Mit 89 Kilogramm hat er nun wieder sein Kampfgewicht erreicht (“Alles Muskeln”) und die Vorbereitung auf die kommenden Saison auch bereits begonnen.

“Es geht mir wirklich enorm gut, ich bin sehr zufrieden und irgendwie einfach stolz, dass ich es noch einmal probieren kann, Weltcuprennen zu fahren. Die Verletzung war kein Beinbruch oder Armbruch, sondern ziemlich an der Grenze, ich hatte überhaupt Glück, dass ich noch hier bin”, sagte Albrecht, der weiß, dass es anders als damals als junger Athlet, dieses Mal noch viel schwieriger werden wird, im Weltcup erfolgreich zu sein. “Man muss schwer arbeiten und braucht sehr viel Glück. Wenn ich es noch einmal schaffen möchte, brauche ich noch mehr Glück, da muss noch viel mehr zusammenpassen.”

Es war der Wunsche von Daniel Albrecht, nach Kitzbühel zu kommen. Er wollte den vielen Interview-Anfragen der Medien nachkommen und entschied sich für eine Pressekonferenz. Er ist aber auch nach Kitzbühel gekommen, um etwas über sich selbst zu erfahren. “Ich wollte wissen, wie ich mich fühle, ob mein Körper weiß, was passiert ist, ob er sich erinnert. Es hätte sein können, dass ich ein schlechtes Gefühl habe, das ist zum Glück nicht so. Ich fühle mich immer noch sehr gut hier, ich fühle mich wohl und bin auch erleichtert, dass es wirklich so gut geht.” Man mag es ihm glauben, auch wenn er oft nachdenklich in die Runde blickte.

Wenn der Gewinner von vier Weltcuprennen und WM-Gold in der Kombination 2007 wieder Rennen fährt, dann möchte er auch wieder ganz vorne mit dabei sein. Topfit und ein gutes Resultat gleich im ersten Rennen – das ist das Ziel. Nicht vergleichen könne man seine und zum Beispiel die Verletzungen von Aksel Lund Svindal, sagte er, doch das Comeback des Norwegers sei Motivation für ihn. “Er war verletzt, er kam zurück und er war stark”.

Wenn die Bewerbe in Kitzbühel beginnen, wird Albrecht längst wieder abgereist sein. In den vergangen Monaten hat er viele Rennen im Fernsehen gesehen – und das sei eigentlich gar nicht so interessant, denn er kenne die Leute und wisse oftmals, was sie sagen werden, erklärte er. Als Jungstar Carlo Janka sein erstes Rennen in diesem Winter gewann, habe er ihm eine SMS geschrieben. “Doch dann habe ich mir gedacht, ich schreibe am Ende des Jahres eine, sonst muss ich ja nach jedem Rennen eine schicken.” Und er erklärte auch, dass er sich jetzt, da Janka so gut fahre, gedacht habe, er lasse ihm dieses Jahr und komme nächstes Jahr wieder.

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