Im Grunde genommen spielt es überhaupt keine Rolle, dass das eine oder andere der nun in Bregenz zu sehenden Werke von Candice Breitz schon in Wien oder Berlin präsent war. Bei der Biennale in Venedig war die 1972 in Johannesburg geborene Künstlerin ebenfalls vertreten und wer jene vor gut vier Jahren besucht hat, dem ist ihr Hollywood-Kino ohnehin in Erinnerung.
Mikro-Drama
Was kann das Kunsthaus Bregenz nun bieten? Erstens ein großzügiges Ambiente, das die Wirkung jedes dieser Filme erhöht. Angesichts der Tatsache, dass man an sich mehrere Stunden oder auch mehrere Tage in der Ausstellung verbringen müsste, um alle Beiträge ganz zu sehen, ist das kein unwesentlicher Aspekt. “The Scripted Life” (in etwa zu übersetzen mit “Das Leben als Drehbuch”) lautet der Titel der Zusammenführung mehrerer ihrer Arbeiten inklusive ihrer neuesten in Bregenz. Ob Candice Breitz, die in Südafrika und in den USA studierte und nach Aufenthalten in New York nun in Berlin lebt, Hollywood-Filme mit Jack Nicholson oder Meryl Streep zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten wählt oder Zwillinge und Drillinge interviewt, führt immer zum selben Ergebnis: Für den Betrachter stellt sich unweigerlich die Frage, was Identität ausmacht, wie wir Persönlichkeit überhaupt wahrnehmen und welche Fallen uns dabei gestellt werden. Keine Sorge, jenes Drehbuch, das die Künstlerin da umgesetzt hat, mag zwar auch für Psychologen von Interesse sein, von den Theaterszenen bis zu den Interviews und dem John-Lennon-Akt im obersten Stockwerk sind alle diese Arbeiten voller Spannung und sie operieren auch mit einer suggestiven Anziehungskraft.
Europa-Premiere
Das zum Einen, zum Anderen ist gerade auch die Basis des Hauptwerkes von besonderem Interesse. “New York, New York” entstand im vergangenen Jahr in Kooperation mit dem Kunsthaus Bregenz in den USA. Eineiige Zwillingspaare hatten im Abrons Arts Center zwei Theatergruppen zu bilden, jeweils Rollen zu erarbeiten und getrennt voneinander auf die Bühne zu bringen. Das gleiche Bühnenbild, gleich aussehende Darsteller und eine vergleichbare Situation: Wie unterschiedlich das Ergebnis aussehen kann, ist nun auf zwei nebeneinandergestellten Videowänden zu verfolgen. Besser kann diese Arbeit gar nicht präsentiert werden, deutlicher und zudem unterhaltsam kann man nicht auf das fragile Ineinanderwirken von kleinsten Gesten aufmerksam gemacht werden, an denen wir Persönlichkeit ausmachen. Wenn Candice Breitz mit Pop-Kultur in Verbindung gebracht wird, dann wohl nur, weil sie es versteht, die visuellen Verführungen, mit denen dabei gearbeitet wird, intelligent für ihre Arbeiten zu verwenden.
Musikerporträt
Dasselbe gilt für die Musikerporträts, zu denen auch eines von Michael Jackson oder Madonna zählt. Für Bregenz wurde “Working Class Hero” von John Lennon gewählt. Anders angeordnet als bei früheren Präsentationen, erleben wir das Nachsingen jenes berühmten Songs, der für Lennon einen Befreiungsakt darstellt, von zahlreichen Laien. Hier, das heißt in den aneinandergereihten Videos der Singenden, offenbar sich Intimität ohne auch nur den Anschein von Voyeurismus. Und das ist in der Tat viel.