In Szene gesetzt ist dieser “Ring des Nibelungen” aus Salzburg und Südfrankreich von Stephane Braunschweig. Seine Regie zeichnete sich auch in der “Götterdämmerung” durch eine defensive bis gar nicht vorhandene Personenregie aus. Oft stehen die Helden einfallslos an der Rampe der Festspielhausbühne, die gerade deswegen viel zu groß wirkt. Die Wege scheinen endlos, und auch der musikalisch wunderbare Berliner Rundfunkchor weiß nicht, wo er sich hinstellen soll und wirkt hölzern in seinen militanten und dandyhaften Kostümen von Thibault Vancraenenbroeck.
Die großformatigen Videoprojektionen von Wolken, Feuer und Wasser im Bühnenraum-füllenden Format haben ästhetische Kraft. Nach insgesamt 18 Stunden “Ring” hat sich deren Wirkung aber substanziell abgenutzt – die Götterdämmerung ist endlich auch zur Video-Dämmerung geworden.
Salzburg erlebte einen “Ring”, der den Fokus ohne Schnickschnack auf die teutonisch-pathetische Geschichte über Liege, Intrige und Macht lenkt. Aber Nichtstun geht als eigenständiges Opernkonzept trotzdem nicht durch. Einige starke Bilder wie Hagens Thron und Brünnhildes ummauertes Bett sind psychologisch klug gedacht. Aber ein inspiriertes Grundkonzept samt dramaturgisch kluger Personenführung fehlte von “Das Rheingold” über “Walküre” bis zu “Siegfried” und schließlich “Götterdämmerung” immer schmerzlicher.
Musikalisch setzte Simon Rattle auf großen, satten und monumentalen Orchesterklang, den die Berliner Philharmoniker nicht ohne eine Vielzahl kleiner Unsauberkeiten realisierten. Umwerfende Wagner-Wucht in allen Farben hat trotzdem begeistert und dem britischen Dirigenten und seinem Orchester großen Applaus eingebracht. Obwohl die Sänger damit häufig zugedeckt wurden. Aber das lag zum Teil auch an ihnen selbst.
Die große Schwachstelle dieser “Götterdämmerung” bei der Premiere in Aix-en-Provence war Hauptdarsteller Ben Heppner. Er ließ sich gestern in Salzburg – wie schon im Vorjahr beim “Siegfried” – krankheitsbedingt entschuldigen. Heppner ersparte dem Salzburger Publikum damit eine Stimme, die für die Rolle des jugendlich-heldenhaften Kraftlackels längst nicht mehr geeignet ist. Für ihn ist Stefan Vinke eingesprungen, der seine Sache vergleichsweise recht gut machte. Saubere Höhen, gute Intonation in allen Lagen und bewegliches Spiel bescherten gute Momente – eine wirklich herausragende Wagnerstimme ist dieser Tenor aber auch nicht.
Das größte Stimmvolumen präsentierte “Brünnhilde” Katarina Dalayman. Ihre Spitzentöne knallten allerdings immer wieder aus dem Klanggefüge und wirkten wie Schreie. Dafür musste die Schwedin deutliche Buhrufe einstecken. Den einhelligsten Applaus unter den Sängern konnte Mikhail Petrenko als Hagen auf sich verbuchen. Der wie Anna Netrebko von Valery Gergiev entdeckte Bass hat Kraft in allen Lagen, seine Stimme vibrierte wenig bis gar nicht, und jeder Ton und jedes Wort waren klar verständlich.
Dale Duesing als Alberich bewegte sich wieder einmal fantastisch und sang seine kleinere Partie ebenso problemlos wie Gerd Grochowski seinen Gunther und Emma Vetter ihre Gutrune. Anne Sofie von Otter gab eine tadellose Waltraute, aber – und das gilt fast für das gesamte Wagnerensemble der Salzburger Osterfestspiele – nur tadellos und nicht herausragend. Dieses Fazit mag für alle vier vergangenen Opern-Jahre bei den Salzburger Osterfestspielen herangezogen werden: Tadellos, aber nicht herausragend.