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"Diese Transporte gehören sofort gestoppt!"

Dicht an dicht gedrängt stehen die Rinder und Kälber in dem Transporter. Versorgung gibt es praktisch keine.
Dicht an dicht gedrängt stehen die Rinder und Kälber in dem Transporter. Versorgung gibt es praktisch keine. ©VgT | Animal Welfare Foundation
Neuesten Recherchen des VGT Vorarlberg zufolge, werden weiterhin Kälber aus dem Ländle ins Drittland transportiert. Der Verein folgte den Spuren eines Transports von Lustenau über Spanien bis in den Libanon.
Kälbertransporte in den Nahen Osten
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Von Harald Küng (Wann&Wo)

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Erstmals ist es dem VGT gelungen, den Leidensweg dreier Kälber, darunter ein Tier aus Lustenau, von der Geburt in Österreich über die Mast in Spanien, bis zu deren Schlachtung im Libanon nachzuverfolgen.

„Jetzt müssen politische Konsequenzen folgen“, fordert VGT Vorarlberg-Kampagnenleiter Tobias Giesinger in WANN & WO. „Das Land muss endlich die Verantwortung übernehmen, statt nach rechtlichen Schlupflöchern zu suchen, diese Transporte zu legitimieren. Wir machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass Kälber, die das Land verlassen, schlussendlich auf grausame Art und Weise in Ländern außerhalb der EU geschlachtet werden. Wir fordern Landeshauptmann Wallner auf, ein Machtwort zu sprechen. Diese Transporte gehören sofort gestoppt.“ Gerade einmal wenige Wochen alt sind die Kälber aus der Milchwirtschaft, wenn sie ins Ausland transportiert werden. Damit eine Kuh wirtschaftlich gesehen genug Milch gibt, muss sie jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Die Kälber werden meist noch am Tag der Geburt von ihren Müttern getrennt. Die meisten weiblichen Kälber werden später als Milchkühe weitergenutzt – die männlichen sind für die Milchwirtschaft nutzlos. Zehntausende von ihnen werden jedes Jahr ins Ausland transportiert. Ihre Ziele sind riesige Mastanlagen in Italien, Spanien oder Polen.

Tod im Nahen Osten

Nach der Mast bleiben viele der exportierten österreichischen Tiere nicht in Spanien. Die drei dokumentierten Rinder tauchen im August 2019 im Libanon auf – sie wurden nach einem zweiwöchigen Transport per Schiff in den Nahen Osten gebracht und kurz darauf bei vollem Bewusstsein geschlachtet.

Aktuelle Aufnahmen der Organisation Animals International zeigen den minutenlangen Todeskampf der österreichischen Tiere. „Unfassbares Leid wird diesen Tieren angetan. Damit sie nicht davonrennen können, werden ihnen die Beinsehnen durchtrennt. Um sie ruhig zu stellen, wird ihnen in die Augen gestochen. Hierbei wird kein Unterschied zwischen Zucht- und Schlachttier gemacht“, informiert die Tierschutzorganisation. Dass dies keine Einzelfälle sind, beweisen offizielle Daten: Im Jahr 2018 hat Spanien über 160.000 Rinder zum Zweck der Schlachtung und mehr als 35.000 zum Zweck der Weitermast in Drittstaaten exportiert. Die Importländer: Türkei, Algerien, Libyen, Marokko, Libanon und Ägypten. „Wären die Gesetze konsequent eingehalten worden, wären die dokumentierten Tiere gar nicht erst im Libanon gelandet“, stellt Giesinger klar, „bereits der Transport der nicht-entwöhnten Kälber nach Spanien entspricht nicht der EU-Verordnung.“

Die Route

Wöchentlich werden Kälber aus ganz Österreich zusammengesammelt und bei der Kälbersammelstelle in Bergheim bei Salzburg (Betreiber: EZG Salzburger Rind und Bozen Import), auf große Tiertransporter verladen. Auch die drei dokumentierten Rinder wurden am 17. Dezember 2018 zur Kälbersammelstelle in Bergheim bei Salzburg und von dort am selben Tag weiter zur Kälbersammelstelle nach Vic in Spanien transportiert, wo sie laut Fahrtenbuch am Abend des 18. Dezember ankamen. Zwischen 19 und 21 Stunden sind die Transporter von Bergheim bis zur Kälbersammelstelle in Vic in Spanien (Betreiber: Fa. Vilarta) unterwegs. Die zwei bis acht Wochen alten Tiere erleiden während der kompletten Transportzeit Hunger und Durst – eine adäquate Versorgung auf den Lkw ist technisch nicht möglich.

Ebenfalls wird die Ver- und Entladezeit nicht zur Beförderungsdauer gerechnet und der Transport wird routinemäßig um zwei Stunden verlängert, obwohl das nur in Notsituationen zulässig wäre. Auch wird die Sammelstelle in Vic als Bestimmungsort angeführt, obwohl die Kälber dort laut Beobachtungen von Tierschutzorganisationen nach weniger als 48 Stunden weiter zu Masthallen ins Landesinnere transportiert werden. In vielen Fällen geht es nach wenigen Monaten der Mast per Schiff weiter zur Schlachtung in Länder, in denen keine Tierschutzgesetze existieren, die sie schützen könnten. Von den spanischen Häfen Tarragona und Cartagena aus verlassen wöchentlich Tiertransport-Schiffe mit Rindern die europäische Union.

Über diesen Weg verließen höchstwahrscheinlich auch die österreichischen Rinder die EU mit Zielhafen Beirut/Libanon. Von dort aus ging es weiter per Lkw in den Norden Libanons, an die Grenze zu Syrien, wo deren Schlachtung dokumentiert wurde.

Zahlen

  • 268.772 Rinder wurden 2018 laut Eurostat zum Zweck der Schlachtung aus der EU in Drittstaaten exportiert – darunter auch Vorarlberger Tiere. Weitere 391.539 zur Weitermast (mit anschlie-ßender Schlachtung). Zahlen gesamt (inkl. Zucht, Kälber, Schlach-tung und Mast): 794.731. Die Importländer waren hauptsächlich Türkei, Algerien, Marokko, Libanon und Ägypten.
  • 2 bis 8 Wochen alt sind die Kälber, die vom österrei-chischen Sammelpunkt in Bergheim bei Salzburg auf ihre tödliche Reise geschickt werden. Recherchen des VGT und Animals International zeigen, dass nach wie vor Tiere aus dem Ländle verladen werden.
  • 19 bis 21Stunden sind die Tiere auf dem Transporter von Bergheim bis zur Sammelstelle im spanischen Vic unterwegs.

Infos

Forderungen des VGT Vorarlberg:

  • Zukünftig konsequenter Vollzug der EU-Verordnung zu Tiertransporten
  • Kein Transport von Tieren, die nicht von der Muttermilch entwöhnt sind
  • Eine maximale Transportdauer von acht Stunden für alle Tierarten
  • Keine Transporte in Drittstaaten
  • Förderung von Alternativen für den Export von Kälbern aus der Milch­produktion

Tierrechtsradio – VGT Vorarlberg zum Thema Tiertransporte

Im Gespräch mit Radio Orange 94.0, dem Freien Radio in Wien, informieren die beiden VGT Vorarlberg-Aktivisten Tobias Giesinger und Ann-Kathrin Freude, wie offiziell illegale Tiertransporte behördlich ermöglicht werden. Die Tierschützer geben dabei spannende Einblicke in die Tricks bei Be- und Entladezeiten und Beförderungsdauer oder auch „innerösterreichische Transporte“ über das deutsche Eck.

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