56. Viennale: Österreichische Werke mit dabei

Mit einer bunten Auswahl an heimischen Filmproduktionen geht die neue Viennale-Chefin Eva Sangiorgi in ihre erste Festivalausgabe. Markus Schleinzers neueste Arbeit findet sich ebenso wie das jüngst in Venedig prämierte Drama “Joy” von Sudabeh Mortezai. Es sind Begegnungen mit der Vergangenheit wie mit der Gegenwart, und der Zuschauer trifft auf Kunst, Krieg – und natürlich das Kino.
Österreichische Werke bei der 56. Viennale
Als philosophisches Essay hat Schleinzer seinen Film über “Angelo” angelegt, in dessen Mittelpunkt der titelgebende und legendenumwobene “Hofmohr” steht. Anfang des 18. Jahrhunderts in Afrika geboren, kam er als Kindersklave über Umwege nach Wien, wo er als Exot bestaunt wurde, gleichzeitig aber auch um Autonomie kämpfte. In Toronto und San Sebastian war Schleinzer mit seinem Werk vertreten, und auch Sudabeh Mortezai hat bereits Festivalerfahrung mit ihrer “Joy”: Die Geschichte einer Frau aus Nigeria, die in Wien als Prostituierte arbeitet und den Weg in die Freiheit sucht, wurde am Lido zweifach prämiert.
Ähnlich verhält es sich mit Wolfgang Fischers “Styx”: Die deutsch-österreichische Koproduktion erhielt bei der diesjährigen Berlinale drei Preise. Nicht nur die Protagonistin, eine deutsche Ärztin, wird darin mit dem Leid von Flüchtlingen auf hoher See konfrontiert, wobei Fischer Klischees vermeidet und die humanitäre Katastrophe am Meer auf einen persönlichen Blickwinkel herunter bricht. Krieg und seine Folgen stehen auch bei “Chaos” im Fokus, in dem Sara Fattahi verschiedene Schicksale miteinander verknüpft – drei Frauen in drei verschiedenen Städten, die auf unterschiedliche Weise das Grauen zu verarbeiten suchen.
“Eine eiserne Kassette” stellt Nils Olger vor schreckliche Tatsachen: Der Regisseur entdeckt sie nach dem Tod des Großvaters und macht sich über mehrere Jahre hinweg auf die Spur, die die darin enthaltenen Fotos und Dokumente liefern und die ihn zur berüchtigten 16. Panzerdivision “Reichsführer SS” führen. Die Schrecken der Nazizeit hat Komponist Walter Arlen, nach der Vertreibung aus seiner österreichischen Heimat lange Zeit als Musikkritiker tätig, in seinen Stücken verarbeitet. Ein Porträt dieses Künstlers hat Stephanus Domanig mit “Das erste Jahrhundert des Walter Arlen” angefertigt. Dem im Vorjahr verstorbenen Viennale-Langzeitdirektor Hans Hurch erweist wiederum dessen langjähriger Freund Gaston Solnicki mit “Introduzione all’oscuro” die Ehre.
Kinofeeling beim Filmfestival
Der Zauber des Kinos kommt nicht nur in “Kino Wien Film” von Paul Rosdy, der darin die Lichtspielhauslandschaft der Bundeshauptstadt seit ihren Anfängen vor mehr als 100 Jahren mit viel Liebe zum Detail nachzeichnet, eindrucksvoll zur Geltung. Norbert Pfaffenbichler hat sich für seine neueste Found-Footage-Arbeit dem Schaffen des englischen Schauspielers James Mason gewidmet (“Invest in Failure”) und montiert aus 160 Filmen Neues, Gegensätzliches und Überraschendes. Mit welchen Zwängen und Konventionen sie in den 60ern und 70ern zu kämpfen hatten, erzählen fünf Künstlerinnen der Regisseurin Christiana Perschon in “Sie ist der andere Blick”, und Houchang Allahyari erinnert an die im Jänner verstorbene Flüchtlingshelferin “Ute Bock Superstar”.
Dass aus Schwarz und Weiß auch Farbe entstehen kann – jedenfalls in unseren Köpfen -, das macht sich Virgil Widrich in seinem Kurzfilm “Light Matter” zunutze und lässt das Publikum an seinem Experiment teilhaben. Eine Geisterbeschwörung der anderen Art liefert hingegen Siegfried A. Fruhauf mit “Water and Clearing”, wobei ein Holzkübel und Wasser eine wesentliche Rolle spielen. Und in “Gertrud & Tiederich” lässt Josef Dabernig Kunst und Örtlichkeit verschwimmen, um deren wechselseitige Beeinflussung zu beleuchten. Ebenfalls einen starken österreichischen Einschlag hat die Spezialschiene “Surviving Images” im Filmarchiv, die sich jüdischer Kultur im deutschsprachigen Stummfilm widmet.
(APA/Red)