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303 - Kritik und Trailer zum Film

Eigentlich sind Jan und Jule grundverschieden. Der eine glaubt an den Wettbewerb. Die andere setzt auf Kooperation und träumt von einer weniger egoistischen Welt. Im Verlauf des 145-Minüters aber, einem Liebesfilm des gebürtigen Vorarlberger Hans Weingartner ("Die fetten Jahre sind vorbei"), merken die beiden Mittzwanziger, wie ungeheuer viel sie doch gemein haben.

Nicht Szenen einer Ehe, sondern Episoden eines Paares zeigt Hans Weingartner (“Die fetten Jahre sind vorbei”) im neuen Dialogfilm “303”. In seinem ersten Spielfilm seit sieben Jahren fokussiert der gebürtige Vorarlberger dabei ganz auf die beiden Protagonisten Jule und Jan – und deren Sicht auf die Welt. Nach seiner Weltpremiere auf der heurigen Berlinale kommt “303” am Freitag ins Kino.

303 – Kurzinhalt zum Film

Weingartner hat dabei mit Mala Emde als Jule und Anton Spieker als Jan zwei der aufstrebenden Jungstars des deutschen Kinos für sein Filmexperiment zur Verfügung, die ihre Rollen als angehendes Liebespaar ebenso charmant und authentisch meistern wie ihre schier endlosen Dialogpassagen, ist die Narration in “303” doch schnell abgehandelt: Jan möchte nach Spanien trampen, um seinen leiblichen Vater kennenzulernen, während Jule in ihrem alten Mercedes-303-Wohnmobil nach Portugal unterwegs ist, um ihrem Freund von der überraschenden Schwangerschaft zu berichten. So macht man sich gemeinsam auf den Weg. Die lange Reise der beiden gen iberische Halbinsel bietet Regisseur und Drehbuchautor Weingartner die ausgiebige Gelegenheit zu ausschweifendem Philosophieren.

303 – Kritik zum Film

Zwar nimmt sich der in Feldkirch geborene und seit langem in Berlin lebende Filmemacher viel Zeit für seine Figuren und deren Unsicherheiten und Zweifel. Und doch sind Jule und Jan – die nicht von ungefähr den gleichen Vornamen wie zwei der Protagonisten aus Weingartners Erfolg “Die fetten Jahre sind vorbei” tragen – eigentlich Archetypen, mehr Metaphern für Lebenshaltungen denn reale Personen. Gingen die ersten beiden Jule und Jan in die Aktion und attackierten die Reichen als Symbole einer ungerechten Gesellschaft, bleibt das Paar des Jahres 2018 in der Reflexion, betreibt letztlich den privaten Rückzug. Insofern ist Weingartners Film auch ein Kind seiner Zeit, zeigt die Entwicklung unserer Gesellschaft.

Letztlich passiert in “303” nichts – außer, dass Gott und die Welt verhandelt werden. Jan und Jule sprechen über die Liebe und den Kapitalismus, über Pheromone und Küssen, das Immunsystem und Darwin, Sexualität und Kommunismus. Und die Rollen sind dabei klar verteilt: Jan hat eher die Sicht vom Mensch als des Menschen Wolf, der den Konkurrenz-Kapitalismus als Abbild seiner inneren Verfasstheit erschaffen hat, während Jule an die Kooperation und Selbstlosigkeit glaubt und den Homo sapiens dem Neandertaler aus diesem Grunde für überlegen hält.

“Ich habe fast 20 Jahre an den Dialogen geschrieben. Ich könnte da eine Fernsehserie mit fünf Seasons draus machen”, begreift Weingartner im APA-Gespräch “303” als laufenden Prozess, gewissermaßen als Quintessenz seiner philosophischen Ader. Mit Jump Cuts gibt er dem ruhigen Strom des Gesprächs, der mit sanfter Musik unterstrichen wird, eine gewisse Rohheit, ohne je den Gesamtduktus einer unaufgeregten Lässigkeit zu verlieren. Und doch wirkt das auf die Sprache fokussierte Werk ein wenig aus der Zeit gefallen, skeptisch gegenüber dem Bild und damit wie eine Reminiszenz an die guten alten Zeiten in der Studenten-WG bei nächtlichem Philosophieren in der Küche.

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(APA/Red)

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