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1000-jährige Stadt am Roten Fluss

©AP
Im Oktober 2010 feierte Vietnams Hauptstadt Hanoi ihren Millenniums-Geburtstag.
Bilder

Am 10. Oktober wurde Hanoi 1000 Jahre alt – und feierte dementsprechend zehn Tage lang. Eine Parade zog durch die prächtig beflaggten Straßen der Stadt, 100 Bronzetrommeln stimmten auf das große Fest ein. Es war im Jahr 1010, als König Ly Thai Tho der Legende nach am Roten Fluss einen golden schimmernden Drachen aus dem Wasser steigen sah. Hier baute er seine Residenz und nannte sie Thang Long: aufsteigender Drache.

„Stadt innerhalb der Flüsse“
Erst im 19. Jahrhundert – die Stadt war mehrmals erobert worden und hatte ihren Status als Hauptstadt verloren – kam der Name Ha Noi ins Spiel: Stadt innerhalb der Flüsse. 1946 wurde Hanoi unter Ho Chi Minh zur Hauptstadt der kommunistischen „Demokratischen Republik Vietnam“ und 1976 nach Ende des Vietnamkriegs die Metropole des wieder vereinigten Landes. Vieles ist zerstört worden im Krieg und in der Zeit des Aufbruchs. Aber am Hoan- Kiem-See, dem „See des zurückgegebenen Schwertes“, scheint die Zeit fast spurlos vorübergegangen zu sein. Hier steht auf einer kleinen Insel das Wahrzeichen Hanois, der Schildkröten-Turm (großes Bild). Eine Schildkröte soll im 15. Jahrhundert geholfen haben, die chinesischen Besatzer mittels eines magischen Schwertes zu vertreiben, erzählt unser Führer Angh. Heute gehört der See, in dem 1968 tatsächlich eine riesige, uralte Schildkröte gefunden wurde, den turtelnden Pärchen in den Schwanenbooten, den Joggern auf den Parkwegen und den Alten auf den Bänken. Von hier aus sind die gläsernen Bürotürme, die das Stadtbild prägen, nicht zu übersehen. Vietnam ist auf dem Sprung vom kommunistischen Musterschüler zum Turbo-Kapitalisten.

Erinnerungen an den Krieg
Fast vergessen ist der Alptraum des Krieges, dessen Hinterlassenschaften nach Kapitalistenart geschickt vermarktet werden. Im Hof des Armeemuseums wird das Wrack eines amerikanischen B52-Bombers zur Schau gestellt. Doch der amerikanische Erzfeind ist längst wieder präsent mit einer Vorhut von Kentucky Fried Chicken und Starbucks. Investoren aus aller Welt sind willkommen – wenn sie genügend Geld mitbringen. Doi Moi nennt sich die vietnamesische Variante des Wirtschaftswunders. „Jeder ist für sich selbst verantwortlich“, erklärt Angh, und das sei auf jeden Fall viel besser als die sozialistische Coupon-Wirtschaft. Eine sprunghaft wachsende Mittelschicht leistet sich teure Wohnungen in den städtischen Randbezirken. In Hanoi ist der Boden schon fast mit Gold aufzuwiegen. 20.000 Dollar, mutmaßt Angh, kostet der Quadratmeter in der Innenstadt. Hier wohnen die Kunden der Edelboutiquen von Dolce & Gabbana bis Zegna, die aus dem teuren Boden schießen wie Pilze. Was sie für den modischen Schnickschnack zahlen, verdient ein Lehrer gerade mal im Monat.

Bill Gates als Idol der Jugend
Auch Angh hatte fürs Lehramt studiert, angesichts des dürftigen Lohns aber auf Touristenführer umgesattelt. „Das meiste Geld“, sagt er, „bekommen die Lehrer nebenher, weil die Eltern alles tun, um ihre Kinder gut betreut zu wissen.“ Ähnliches gelte für Ärzte und Polizisten. „Wir brauchen noch Zeit, um besser zu werden“, räumt Angh ein. Ho Chi Minhs Erben wollen den Anschluss an den Weltmarkt und selbst dabei reich werden, so wie Bill Gates. Der Microsoft-Gründer ist nach Umfragen das wichtigste Vorbild der Jugend. Das Mausoleum von Ho Chi Minh ist ständig von Menschenmassen umlagert, ein unendlicher Strom bewegt sich auch durch den Bezirk, wo der Revolutionsführer gelebt hat. Zwischen den allgegenwärtigen Rollern, die im alten Wohnviertel von Hanoi die seltenen Gehsteige versperren, leben die Familien. Da wird gekocht und gegessen, gewaschen und entlaust, gespielt und geschlafen. Und am Abend fährt man schon mal im Nachthemd oder im Pyjama zum schnellen Einkauf auf den Markt oder auch in die Laden-Gassen. Hier schlägt immer noch das Herz der 1000-jährigen Stadt. In den „36 Gassen“, die nach den 36 Gilden benannt sind, die sich hier im 13. Jahrhundert ansiedelten, gibt es alles, was ein Mensch zum Leben braucht: In der Apothekergasse liegen Kräuter und Gewürze aus, es gibt eine Schuhgasse, eine Gasse der Hutmacher, der Schneider und sogar eine der Künstler.

Das berühmte Mausoleum
Allerdings hat auch in den Gassen die Neuzeit Einzug gehalten mit Souvenirs und gefälschten Markenklamotten, mit Fast Food und Free Internet. Zur 1000-Jahr-Feier aber war natürlich Geschichte angesagt. Ausgrabungen des königlichen Palastes wurden gezeigt, eine riesige Stickerei zum Thema „ancient roots“, alte Wurzeln, eine sechs Meter lange Papierrolle aus 1,5 Millionen bunten Papierschnipseln, die zwei Drachen darstellen. Oder ein 1000-Meter-Mosaik entlang eines Dammes, der die Stadt vor dem Hochwasser des Roten Flusses schützt – Schulen, Künstler und Unternehmen hatten daran in ihrer Freizeit gearbeitet. Aus Stolz darauf, in der ältesten noch bestehenden Hauptstadt Südostasiens zu leben.

Kriminalität ist kein Problem, der Verkehr schon
Gewaltkriminalität gegenüber ausländischen Touristen ist in Vietnam sehr selten. Abgesehen von Entreiß- und Trickdieben in den Städten hat man kaum etwas zu befürchten, wenn man sich nicht allzu unvorsichtig verhält. Der Straßenverkehr stellt die weitaus größere Gefahr dar – Vietnam ist eines der Länder mit der höchsten Todesrate bei Verkehrsunfällen weltweit.

1010
ist das belegte Gründungsdatum für Hanoi, die älteste noch bestehende Hauptstadt Südostasiens. 866 errichtete die chinesische Tang-Dynastie zur Konsolidierung ihrer Besatzung am Westufer des Roten Flusses eine Zitadelle namens Dai La, die König Ly Thai To, der Begründer der Ly-Dynastie, dann im Jahre 1010 zu seiner Residenzstadt auserwählte.

Ho Chi Minh machte Hanoi zur Hauptstadt
Von 1940 bis 1945 war Hanoi, wie der größte Teil von Französisch- Indochina und Südostasien, japanisch besetzt. Am 2. September 1945 rief Ho Chi Minh in Hanoi die Demokratische Republik Vietnam aus. Die vietnamesische Nationalversammlung beschloss am 6. Januar 1946, Hanoi wieder zur Hauptstadt der Demokratischen Republik Vietnam werden zu lassen.

Der Revolutionär ist noch immer unvergessen
Was hätte wohl Onkel Ho, wie die Vietnamesen heute noch liebevoll den Vater der vietnamesischen Wiedervereinigung nennen, zur heutigen Hauptstadt gesagt? Einbalsamiert im Mausoleum muss der Revolutionär die neuesten Entwicklungen stoisch über sich ergehen lassen. So, wie der Tote auch den Führerkult über sich ergehen lassen muss, den er als Lebender immer abgelehnt hat. Verbrannt wollte er werden, hatte Ho Chi Minh in seinem Testament verfügt. Und seine Asche sollte im Norden, in der Mitte und im Süden des Landes verstreut werden, um die Einheit zu dokumentieren. Stattdessen wurde er zum lebenden Leichnam im Beton-Mausoleum und eine Kultstätte nach Art der früheren Kaiser. „Sie brauchen ihn als Symbolfigur“, flüstert Touristenführer Angh dazu.

Die Gassen der Altstadt Hanois
Die engen Gassen der Altstadt sind eine Attraktion. Sie sind nach den verschiedenen Gewerben aufgeteilt – die Straßennamen orientieren sich an den Dingen, die hergestellt werden.

Besuch im Haus von Ho Chi Minh
An dem hölzernen Wohnhaus, das traditionell auf Pfählen errichtet wurde und das Ho Chi Minh von 1958 bis zu seinem Tod 1969 bewohnte, stehen die Besucher meistens Schlange.

Reiseinfos

Anreise: Z.B. mit Vietnam Airlines. Die Flugzeit beträgt rund elf Stunden, Preise ab 1890 Euro. Der Flughafen Noi Bai liegt 35 km vom Stadtzentrum entfernt. Die Straße ist sehr gut ausgebaut, so dass man mit dem Taxi oder dem Shuttlebus in ca. einer Dreiviertelstunde in der Stadt ist.
Einreise: Der Reisepass muss noch mindestens sechs Monate gültig sein. Das Visum wird gegen Gebühr von der Vietnamesischen Botschaft in Wien, Felix-Mottl-Straße 20, 1190 Wien, Tel. 01 3680755-10, E-Mail: embassy.vietnam@aon.at, ausgestellt.
Saison: Das Klima ist subtropischmonsunal mit feucht-heißen Sommern und warm-trockenen Wintern. Beste Reisezeit in Hanoi ist von Herbst bis Frühling, also von Oktober bis April. Währung: Für 100 Euro bekommt man 2,6 Millionen Dong (September 2010). Am Flughafen und in der ganzen Stadt gibt es Wechselstuben. Mit Kredit- oder Masterkarte kann man an den zahlreichen Geldautomaten Bargeld beziehen.
Impfung: Empfohlen wird ein Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie, Polio sowie gegen Hepatitis A und B. Guter Mückenschutz ist Pflicht.
Tipps: Ausländische Führerscheine werden in Vietnam mittlerweile anerkannt. Autos können mit Fahrer gemietet werden, was in Städten wie Hanoi empfehlenswert ist.
Sprache: Offizielle Landessprache ist Vietnamesisch, daneben gibt es 54 ethnische Minderheiten, die zum Teil eigene Sprachen und Dialekte verwenden. In touristischen Gegenden wird Englisch gesprochen.
Weitere Infos: Internet www.erlebe-vietnam.de; Österreichische Botschaft, c/o „Prime Center“, 53, Quang Trung, 8. Stock, Hai Ba Trung District, Hanoi, Tel: +84 439433050, E-Mail: hanoi-ob@bmeia.gv.at, www.bmeia.gv.at/botschaft/hanoi.html.

VN-srt/S.F. Lucas

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