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Schlimmer als die Impfpflicht

©APA/WOLFGANG SPITZBART
Gastkommentar von Johannes Huber. Menschen dafür zu bezahlen, dass sie sich impfen lassen, ist ein Eingeständnis der Politik: Sie hat versagt.

Aufrufe von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie des ehemaligen und des amtierenden Gesundheitsministers Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein (Grüne) haben bekanntlich nicht dazu geführt, dass aus genügend impfkritischen Menschen impfbereite geworden sind. Also kam es zur Ankündigung, mit Februar eine Impfpflicht einzuführen. Schon das war ein Eingeständnis der Politik, versagt zu haben.

Natürlich kann man einräumen, dass Herr und Frau Österreicher selbst so vernünftig sein müssten, sich bestmöglich zu schützen; dass sie dazu keine „Hilfe“ brauchen sollten. Der Punkt ist jedoch der: Zumal von vornherein absehbar war, dass zumindest eine ordentliche Kampagne erforderlich ist, um Unentschlossene zu gewinnen, eine solche aber unterlassen wurde, kann man von einem politischen Versagen sprechen.

Die Impfpflicht wird Umfragen zufolge von einer Mehrheit begrüßt, nicht wenige Menschen jedoch lehnen sie ab – und wollen sich jetzt erst recht nicht impfen lassen, solange sich das irgendwie durchhalten lässt. Die Folge: In den vergangenen Tagen und Wochen hat sich kaum jemand eine erste Dosis verabreichen lassen, zu Beginn der Omikron-Welle ist die Durchimpfungsrate daher noch immer ernüchternd niedrig.

Vielleicht dämmert ÖVP und Grünen jetzt, dass das nicht gut ausgehen kann: Nicht nur, dass es einmal mehr unnötig viele Erkrankungsfälle mit einem schweren Verlauf geben könnte; eine Pflicht gegen auch nur zehn Prozent „Verweigerer“ durchzusetzen, ist selbst für einen starken Staat schwer bis unmöglich. Hier geht es um hunderttausende Männer und Frauen.

Diese Eskalation will man nun offenbar mit allen Mitteln vermeiden. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ließ nach Weihnachten mit der Bemerkung aufhorchen, dass es die Impfpflicht nur gebe, wenn auch eine entsprechende Impfwirkung nachgewiesen werden könne. Das sollte an sich selbstverständlich sein. Edtstadler lässt jedoch an der Impfwirkung zweifeln. Dafür gibt es vorerst keinen Grund: Die Wirkung ist bei Omikron geringer, allen bisherigen Erkenntnissen zufolge aber noch immer entscheidend groß.

Doch es geht noch weiter: Wenige Wochen vor der geplanten Einführung der Impfpflicht greifen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Forderung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf, allen, die sich „boostern“ lassen, einen 500-Euro-Gutschein zu gewähren.

Ob das etwas bringt? These: Ein paar werden sich so motivieren lassen, aber nicht viele. Ihnen geht es nicht um Finanzielles. Diese Aussage stützt sich darauf, dass die ohnehin hohe Impfquote im Burgenland ebenso wenig zusätzlich gestiegen ist durch eine Impflotterie wie die niedrige in Oberösterreich.

Der 500-Euro-Anreiz ist eher eine Bankrotterklärung für die Politik: Sie meint, Bürgerinnen und Bürger dafür ködern zu müssen, Notwendiges und bald auch Verpflichtendes zu tun. Wo führt das hin? Wird man künftig auch dafür bezahlt, nicht zu schnell zu fahren? Oder die Steuern pünktlich abzuliefern? Okay, hier geht es um etwas ganz anderes. Ein Problem bleibt jedoch: Der Anreiz ist dazu angetan, dass geschriebene wie ungeschriebene Pflichten oder Eigenverantwortung nur noch dann wahrgenommen werden, wenn der Staat mit einem Gutschein winkt. Das kann teuer werden. Die Dritt- wird wohl nicht die letzte Auffrischungsimpfung bleiben, die notwendig ist.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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