Roter Super-GAU

Keine zwei Wochen ist es her, da bemühte sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig auf dem Landesparteitag seiner Partei, der SPÖ, um ein grünes Image. Man drehe „an den großen Schrauben“, erklärte er: „Wien wird bis 2040 klimaneutral, indem wir auf alternative Energiequellen wie Photovoltaik, Fernwärme und Fernkälte, Kreislaufwirtschaft, Öffi-Ausbau oder innovativen Wohnbau setzen.“ Davon sollten alle Menschen profitieren.
Profitieren? Finanziell läuft das Ganze vor einem ganz anderen Hintergrund auf eine Katastrophe hinaus: Die stadteigene Fernwärme hat gerade eine Preiserhöhung von 92 Prozent angekündigt. Das entspricht beinahe einer Verdoppelung. Das ist das eine. Das andere: In diesem Zusammenhang wird indirekt auch bestätigt, dass Fernwärme leider nicht sehr ökologisch ist. Gas ist teurer geworden und (unter anderem) weil recht viel Gas zur Fernwärme-Erzeugung eingesetzt wird, wirkt sich das nun eben so schmerzlich für 400.000 Haushalte aus, die daran hängen.
Erklärungsversuche von Michael Strebl, dem Vorsitzenden der Wien-Energie-Geschäftsführung, spenden den Betroffenen keinen Trost: „Wien ist eine Millionenstadt, wir haben eines der größten Fernwärmenetze in Europa. In anderen europäischen Städten, etwa in München, liegen die Preiserhöhungen bei weit über hundert Prozent“, berichtete Strebl in „Wien heute“ (ORF). Man stelle sich vor, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) versuche, die ob einer Inflationsrate von über acht Prozent schockierten Menschen in Österreich mit dem Hinweis zu beruhigen, dass die Teuerung in baltischen Staaten noch viel größer sei und bis zu 20 Prozent betrage – er würde den Unmut dadurch nur noch mehr befeuern.
Die Erste, die protestieren würde, wäre SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Sie hat schon im Herbst erkannt, dass die Teuerung ein Problem ist, das sehr viele Menschen belastet. Also setzt sie darauf. Jetzt kommt ihr jedoch das rote Wien in die Quere, müsste sie eigentlich Ludwig zur (politischen) Verantwortung ziehen. Aber das kann sie natürlich nicht in der notwendigen Deutlichkeit tun.
In Wirklichkeit ist sie Sache einfach und kompliziert zugleich: Mit der Fernwärme wird kein Gewinn gemacht. Aufgrund gesteigerter Produktionskosten wird sich eine Preiserhöhung von 92 Prozent schwer vermeiden lassen. Populisten in allen Parteien und darunter vor allem auch der SPÖ haben bisher nur einen anderen Eindruck vermittelt. Die Frage ist eher, wie man den Leuten helfen kann, denen diese Entwicklung finanziell nicht zumutbar ist.
Diesbezüglich muss man sich wundern: Ludwig hat es verabsäumt, parallel zum Fernwärme-Preis-Tsunami ein sozial-treffsicheres Paket präsentieren zu lassen, das Betroffene entlastet und sicherstellt, dass ihre Würde gewahrt bleibt. Durch einen Verweis auf eine Ombudsstelle für Härtefälle geschieht letztere jedenfalls gar nicht: Hier werden Betroffene zu Bittstellern degradiert. Im Vergleich dazu ist der 150 Euro-Energiekosten-Gutschein, den die Bundesregierung allen Haushalten zusenden ließ, eine Großtat.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik