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FPÖ stärkt Ludwig

©APA/HERBERT NEUBAUER
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Selbstzerfleischung der Freiheitlichen ist eine Voraussetzung dafür, dass Wien rot bleibt.

Der größte Albtraum der Sozialdemokratie ist nicht, dass sie auf Bundesebene unter 20 Prozent rutscht und dauerhaft in Opposition bleibt. Nein, der größte Albtraum ist, dass sie in Wien bei der Gemeinderatswahl im kommenden Jahr abstürzt und damit auch ihr Zentrum verliert. Dann wäre es wohl wirklich geschehen um sie.

Die sozialdemokratische Angst ist nicht unbegründet: Die rot-grüne Mehrheit, der die Stadt-SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig ihre Führungsrolle verdankt, ist kaum abgesichert. Wenn die internen Streitigkeiten bei den Genossen anhalten, sind die Verluste bald so groß, dass sie nicht einmal durch starke Zugewinne der Grünen ausgeglichen werden können. Zur Erinnerung: Schon 2015 erreichten die beiden Parteien zusammen nur 51,4 Prozent.

Ludwig und Co. dürfen jetzt jedoch Hoffnung schöpfen: Die Freiheitlichen helfen ihnen.  Unfreiwillig zwar, aber doch. Bisher stand zumindest ein unabhängiger Bürgermeister, der von ÖVP, FPÖ und Neos getragen wird, im Bereich des Möglichen. Neos-Chef Christoph Wiederkehr hat bereits erklärt, dass ihm das lieber wäre als ein roter Stadtchef.

Jetzt ist jedoch das Fundament eingebrochen, das eine solche Allianz brauchen würde: Die FPÖ kollabiert. Zunächst ist sie in Folge der Ibiza-Affäre abgestürzt. Umfragen weisen ihr nicht mehr 31 Prozent aus, wie sie sie bei der Gemeinderatswahl 2015 erreicht hat, sondern nur noch 17 oder 18 Prozent.

Wobei nichts dafür spricht, dass die Talsohle damit auch schon erreicht wäre. Im Gegenteil: Bundesparteichef Norbert Hofer mag sich über die neue Strache-Freundesliste „Allianz für Österreich“ lustig machen. In Wirklichkeit hat er jedoch allen Grund zur Panik: Selbst wenn sie nur fünf Prozent macht, geht das teilweise auf Kosten der FPÖ. Ja, dann fällt sie eher nicht nur auf den dritten Platz hinter SPÖ und ÖVP zurück, sondern auf den vierten hinter SPÖ, ÖVP und Grüne.

Viel wichtiger aber für Ludwig ist dies: Zur Verhinderung eines roten Bürgermeisters müssten sich die Freiheitlichen an der Seite mit ÖVP und Neos mit der Strache-Partei zusammentun. Ob die beiden Lager dazu ihre Feindschaft überwinden könnten? Schwer vorstellbar. Abgesehen davon ist zu bezweifeln, ob ÖVP und Neos überhaupt noch Teil eines solchen Bündnisses sein möchten.

Eher tut sich eine andere Gefahr für Michael Ludwig auf: Eine türkis-grün-pinke Koalition, die ebenfalls zur Folge hätte, dass der SPÖ die Kontrolle über Wien abhanden kommen würde. Das ist erstens jedoch abhängig davon, wie nahe ÖVP und Grüne einander bei den laufenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene kommen. Und zweitens müssten die drei Parteien noch sehr stark zulegen. Also ist das im Moment so unwahrscheinlich, dass sich Ludwig über die Feiertage zurücklehnen und darüber freuen kann, dass die blaue Bedrohung dabei ist, sich selbst zu erledigen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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