AA

Einbürgerungen erleichtern

©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. Ein Blick darauf, wer nach Österreich zuwandert und wer gebraucht wird, zeigt: Es ist geradezu dumm, so restriktiv zu bleiben.

„Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut und darf nicht leichtfertig vergeben werden“, schreibt ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner auf Twitter. Das kann man unterschreiben. Den zweiten Satz, den sie hinzufügte, jedoch nicht mehr: Sozialdemokraten würden mit Hilfe der roten Arbeiterkammer versuchen, den Wert der Staatsbürgerschaft zu schmälern. Und zwar durch die Forderung, junge Menschen, die in Österreich geboren sind, nach fünf Jahren dazu kommen zu lassen.

Vielleicht glaubt Sachslehner, was sie sagt. Sicher ist es nicht. Man darf nicht vergessen, dass die ÖVP schwer unter Druck steht, hunderttausende Wählerinnen und Wähler, die sie mit Sebastian Kurz den Freiheitlichen abgenommen hat, bei Laune zu halten. Das geht nirgends so gut wie bei „Ausländerthemen“. Und im konkreten Fall eben durch die Botschaft, dass es ein Privileg ist, Österreicher zu sein; beziehungsweise, dass es allenfalls nur ein Gnadenakt ist, dieses Privileg nach langer Zeit einmal auch Fremden zuteil werden zu lassen.

Das entspricht jahrzehntealter Politik. Sie ist auch durch Sozialdemokraten geprägt worden. Ein Ergebnis davon ist, dass in kaum einem anderen EU-Land so wenige Zuwanderer eingebürgert werden wie in Österreich. 0,6 Prozent waren es 2020. In Deutschland waren es fast zwei, in Italien etwa fünf Mal so viele.

Ist die Staatsbürgerschaft dort wertlos? Wird sie verscherbelt? Wohl kaum. Wahrscheinlich ist der Zugang dort ganz einfach weniger parteipolitisch motiviert. Herrschen eher pragmatische Überlegungen vor.

Zunächst muss mit einem Missverständnis aufgeräumt werden: Wer den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtern will, muss dies präzisieren. Es wäre denkbar, dass eine Antragstellung früher möglich wird, aber Voraussetzungen (wie ordentliche Sprachkenntnisse) erfüllt werden müssen. Das könnte auf einen erfreulichen Nebeneffekt hinauslaufen: Es wäre ein Anreiz für Zuwanderer, die nicht Deutsch können, es schneller zu lernen und sich so besser zu integrieren.

Zweitens: Wenn man sich anschaut, wer nach Österreich kommt und wer gebraucht wird, dann ist es geradezu dumm, restriktiv zu bleiben. Dann ist es eher sogar logisch, mit „Pullfaktoren“ zu arbeiten, die Sachslehner ablehnt, also Leute anzulocken. Konkret: Zuwanderung setzte sich in den vergangenen Jahren überwiegend aus EU-Bürgern zusammen, die entweder hochqualifiziert sind oder kommen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt (z.B. für Pflegedienstleistungen) dringend benötigt werden. Um sie sollte man werben. Eine Möglichkeit dazu ist, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen ehestmöglich die Staatsbürgerschaft anzubieten. Das würde sie stärker an Österreich binden, könnte eine Win-Win-Situation ergeben.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

  • VIENNA.AT
  • Johannes Huber
  • Einbürgerungen erleichtern
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen