„Zerstreuter Professor“ mit perfektem Sound...

4. Abo-Konzert 2011 des „Concerto Stella Matutina“ in der Kulturbühne AmBach.
Götzis. (sch) Mit einem besonders reizvollen Programm überraschte das exquisite heimische Barockensemble „Concerto Stella Matutina“ seine zahlreichen Bewunderer in der Kulturbühne AmBach. Neben einem Großmeister wie Joseph Haydn müssen zwei seiner Zeitgenossen wie Joseph Riepel (1709-1782) und Heinrich Christoph Koch (1749-1816) eigentlich verblassen. Doch Koch hat sich seinerzeit erlaubt, Papa Haydn wegen seiner Sinfonie „Der Zerstreute“ heftig zu kritisieren. Nun, „Stella Matutina“, die stets höchst innovativen hochrangigen Musici, brachten Haydn und seinen Kritiker mit perfektem Sound im selben Konzert zu Gehör – eine Rarität! Das in allen Instrumentengruppen gewohnt meisterlich besetzte Ensemble spielte diesmal unter der dezenten Leitung (vom Orchester aus) des deutschen Musikwissenschaftlers und Bratschisten Kai Köpp.
Meister Johannes Hämmerle
Der Abend begann mit der Sinfonie in D-Dur, RWV 13, für Streicher, 2 Hörner, 2 Trompeten und Pauke von Joseph Riepel, dessen theoretische Abhandlungen immerhin von Leopold Mozart zur Unterweisung seines Sohnes Wolfgang Amadé verwendet wurden. Ein hörgefälliges Werk, das im Menué und Trio durch Tempowechsel bemerkenswert ist und mit strahlendem Blech-Jubel endet. Gewiss bot Haydn mit seinem „Zerstreuten“ den krönenden Abschluss des „Stella“-Konzerts; das bezauberndste Opus stammte aber nochmals vom Oberösterreicher Riepel, nämlich sein Konzert in C-Dur, RWV 19, für Cembalo und Streicher. Johannes Hämmerle, der 1975 in Dornbirn geborene Konse-Professor, Feldkircher Domorganist und weitum berühmte Tastenmeister, beglückte mit seinen silbrigen, dahinperlenden Cembalo-Klängen einmal mehr seine zahlreichen Bewunderer aus nah und fern.
Koch kontra Haydn
Es folgten die Sinfonien in D-Dur, „Nr. 1“, und in Es-Dur, „Nr. 4“, von Heinrich Christoph Koch aus Rudolstadt in der damaligen Tradition, dass jeder Satz einen klaren Charakter haben musste. Nun, Joseph Haydns Sinfonie Nr. 60, C-Dur, „Il Distratto“ („Der Zerstreute“) 1774, welche das „Concerto Stella Matutina“ mit großer Spielfreude interpretierte, ist ganz anders, mit Überraschungen gespickt (plötzlich hören die Geigen auf, keine Harmonie mehr, die Stimmung ist im Keller usw.). Haydn, der zweifellos ein Mann des Humors und der musikalischen Späße war, zelebrierte somit lustvoll die Zerstreutheit (eines Professors). Das störte den traditionellen Zeitgenossen Koch empfindlich, denn, „Zerstreutheit soll man nicht musikalisch nachempfinden!“ – Was Koch aber anscheinend nicht wusste, das Haydn-Opus ist ursprünglich gar keine Sinfonie, sondern eine Ouvertüre mit fünf Sätzen, eine Bühnenmusik für eine Komödie von Regnard. … „Stella Matutina“ hatte wieder einmal viele Herzen erfreut.