Trotz des enorm dichten Gedränges auf den Bahnsteigen war die Stimmung niemals aufgeladen – im Gegenteil, die Erleichterung, endlich auf der letzten Etappe ihrer Reise zu sein, ließ unter den Flüchtlingen beinahe so etwas wie Fröhlichkeit aufkommen.
Dazu trugen auch zahlreiche freiwillige Helfer bei, die die Ankommenden mit Lebensmitteln, “Refugees-Welcome”-Schildern und Hygieneartikeln empfingen. “Die Stimmung ist trotz allem wirklich gut”, schilderte eine Arabisch-Deutsch-Dolmetscherin.
Flüchtlinge: “Polizei in Wien sehr gut”
Die Strapazen der vergangenen Woche waren den Flüchtlingen natürlich dennoch anzusehen. Gezeichnet, müde und abgekämpft saßen und lagen sie auf den Bahnsteigen. Und immer wieder berichteten sie davon, wie schlecht sie die ungarische Polizei behandelt hat. “Sie haben uns geschlagen. Die Polizei in Ungarn war wirklich schlecht. Hier sind dafür sehr gut”, meinte ein Flüchtling.
Trotz des warmen Empfanges wollten die Migranten nicht in Österreich bleiben, ihr Ziel war weiterhin Deutschland. “Vielen Dank an Österreich, die Bevölkerung war wirklich großartig, aber ich muss einfach nach Deutschland”, sagte ein Syrer.
Fußballfans mischten sich plötzlich dazu
Die größte Sorge der Ankommenden war es dann auch, ein Ticket für die Weiterfahrt zu ergattern. Obwohl die ÖBB angekündigt hatten, die Züge nicht zu kontrollieren, wollten viele sichergehen und suchten mit großen Schildern nach Tickets. Sogar als ihnen von Helfern erklärt wurde, dass sie keine Fahrkarte brauchen, blieben viele – wohl nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrungen der vergangen Tage – skeptisch. “Sind Sie wirklich sicher? Sie versprechen das?”; vergewisserten sie sich immer wieder.
Zu ein wenig bizarren Szenen kam es, als Anreisende für das Ländermatch Österreich gegen Moldawien am Westbahnhof ankamen. Plötzlich waren inmitten der Flüchtlinge bestens gelaunte Fußball-Fans auszumachen, die mit einem Bier in der Hand “Immer wieder, immer wieder, immer wieder Österreich” skandierten. Aber auch für normale Bahnreisende war die Lage nicht einfach. Obwohl die ÖBB zahlreiche Mitarbeiter abgestellt hatten, irrten immer wieder Fahrgäste auf der Suche nach ihrem Zug über das Areal.
“Es leben die Politiker Österreichs!”
Wie groß die Dankbarkeit der Menschen am Wiener Westbahnhof war, spürte vor allem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die bei ihrem Besuch am Bahnhof geradezu gefeiert wurde. Die Menschen bedankten sich, schüttelten ihr die Hände und beschrieben ihren beschwerlichen Weg nach Österreich.
Zum Schluss riefen viele Migranten einen Satz, den heimische Politiker in letzter Zeit nicht allzu oft zu hören bekommen hatten: “Es leben die österreichischen Politiker!”
Am Samstag bis zu 8.000 Personen am Westbahnhof
Am Westbahnhof waren bis zum Abend rund 6.500 Flüchtlinge angekommen. Der Großteil davon dürfte bereits in Richtung Deutschland weitergereist sein, so Polizeisprecher Roman Hahslinger. Insgesamt rechnet die Polizei für Samstagabend noch mit zirka 1.500 weiteren Flüchtlingen am Westbahnhof.
Damit dürften dann rund 8.000 Personen am Westbahnhof angekommen sein, rund 1.000 werden wohl vorerst keine Möglichkeit für eine Weiterfahrt bekommen, die Nacht werden sie in Notschlafstellen in der Nähe des Bahnhofes verbringen. Auch diese Personen dürften zum Großteil am nächsten Tag weiterreisen.
Schlafstellen eingerichtet
Für Schlafstellen rund um den Westbahnhof dürfte ausreichend Vorsorge getroffen worden sein. Die ÖBB stellt am Westbahnhof rund 440 Notschlafplätze in ungenützten Personalbüros zur Verfügung, weitere rund 400 Personen können im Bedarfsfall in Zügen die Nacht verbringen.
Darüber hinaus gibt es auch am Hauptbahnhof gut 100 Schlafstellen. Auch die Stadt Wien hat gut 300 Schlafplätze vorbereitet, es gebe auch noch mehrere Möglichkeiten, weitere Plätze “dazuzuschalten”.
(APA)