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Prozess nach Brandstiftung in Wien: "Hat ausgeschaut wie im Krieg"

"Hat ausgeschaut wie im Krieg": Prozess nach Flammen-Inferno in Wien
"Hat ausgeschaut wie im Krieg": Prozess nach Flammen-Inferno in Wien ©APA
Im Straflandesgericht ist am Donnerstag, dem 23. Oktober der Prozess gegen jenen Wiener, der im April 2014 seine Wohnung in der Innenstadt in die Luft gejagt haben soll, gestartet. Der 45-jährige Angeklagte bekannte sich "nicht schuldig".
Stundenlange Einvernahme
Verdächtiger nicht geständig
Einsatz beim Brand
17 Personen verletzt
Polizei nimmt 44-Jährigen fest
Brand fordert Todesopfer
Feuer in der Innenstadt
Wien: Studentin erstickte qualvoll
Prozessstart in Wien

“Nicht schuldig” hat sich jener 45-jährige Wiener am Donnerstag im Straflandesgericht bekannt, der am 16. April 2014 seine Wohnung in der Innenstadt in die Luft gejagt haben soll. Laut Anklage verschüttete er einen 15 Liter fassenden Kanister mit Benzin und legte Feuer. Die folgende Explosion kostete eine junge Nachbarin das Leben.

Angeklagter bekennt sich “nicht schuldigt”

Der Angeklagte behauptete, Opfer eines Brandanschlags geworden zu sein. “Ehrwürdiger Herr Rat! Es ist mir vor allem ein tiefes Bedürfnis, meinem tiefen Entsetzen Ausdruck zu verleihen, was da passiert ist”, sagte der 45-jähige Wiener zu Beginn seiner Einvernahme in Richtung Schöffensenat (Vorsitz: Harald Kaml). Dass seine 23-jährige Nachbarin “zu Tode gekommen ist, ist ein Wahnsinn”. Sodann betonte er: “Mit dem Verschütten des Brandbeschleunigers habe ich überhaupt nichts zu tun.”

Der 45-Jährige behauptete, er habe – wie jeden Dienstag – die Nacht auf den 16. April bei seiner Mutter verbracht. Mitten in der Nacht sei dann sein Hund “Murphy” unruhig geworden, daher habe er diesen äußerln geführt und dabei beschlossen, gleich in seine Wohnung in der Marc-Aurel-Straße zu gehen, wo er um 7.00 Uhr delogiert werden sollte.

Explosion: “Im Schock davongelaufen”

Während seiner Abwesenheit müsse jemand in die Wohnung eingedrungen sein und dort “zufällig oder gefinkelt, ich weiß es nicht” Benzin verschüttet haben, gab der Angeklagte zu Protokoll. “Haben Sie eine Vermutung, wer das war?”, wollte der Richter wissen. “Diese Frage stellt sich immer noch. Ich kann dazu nichts sagen”, bekam er zur Antwort. Er habe sich in seinem Leben “nicht nur Freunde gemacht”, sagte der Angeklagte.

Als er seine Wohnung aufsperren wollte, sei “die Explosion losgegangen”, so der 45-Jährige. Er habe einen “Feuerball” wahrgenommen, sei zurückgeschleudert worden und im Stiegenhaus zu Sturz gekommen. Er sei dann “im Schock davongelaufen”. Auf die Frage des Richters, warum er nicht gleich zur Polizei gegangen sei, um Anzeige zu erstatten, meinte der 45-Jährige: “Ich bin unter Schock gestanden.”

“Monstöses” Vorgehen

Ganz anders sah die Darstellung von Staatsanwalt Leopold Bien aus, für den sich im Angeklagten “das Böse manifestiert”. Dieser habe sich durch die aufgrund monatelanger Mietzinsrückstände erfolgte Delogierung ungerecht behandelt gefühlt: “Er hat sich daher entschlossen, dass er die Delogierung nicht zulässt und die Wohnung vernichtet.”

Für Bien ein “monströses” Vorgehen, denn nachdem der Mann das Benzin verschüttet hatte, kam es laut Staatsanwalt zu einer “Detonation, die in ihren Auswirkungen einer Bombendetonation gleichgekommen ist”. Wie sich das Benzin-Luft-Gemisch entzündet hatte und welche Quelle als Zündfunke fungierte, ließ sich nicht mehr feststellen. Diese Frage könne er “aufgrund des fortgeschrittenen Abbrandes nicht beantworten”, so ein Brandsachverständiger auf Befragen des Richters.

23-Jährige fiel Brand zum Opfer

Neben der Wohnung des Angeklagten wurde jene seiner unmittelbaren Nachbarin – eine 23 Jahre alte Akademikerin – verwüstet und zerstört. Die junge Frau, die schlafend im Bett lag, wurde von herabfallenden Mauerteilen getroffen. “Über ihr ist die Wand zusammengebrochen”, schilderte der Staatsanwalt. Die Frau sei eingeklemmt worden und infolge einer Kompression des Brustkorbes “qualvoll erstickt. Sie ist durch die Wand erdrückt und verbrannt worden”, stellte der Anklagevertreter fest.

Andere aufgeschreckte Hausbewohner retteten sich vor dem Flammen-Inferno aufs Dach, wo sie von der Feuerwehr geborgen wurden. Weitere Mieter mussten mit Drehleitern aus ihren Wohnungen in Sicherheit gebracht werden. Acht Personen erlitten Rauchgasvergiftungen.

“Es hat ausgeschaut wie im Krieg”

“Es hat ausgeschaut wie im Krieg. Als hätte eine Bombe eingeschlagen”, schilderte ein Polizist im Zeugenstand seine Eindrücke, als er zu dem Großbrand gerufen wurde. Sämtliche Fensterscheiben des Wohnhauses seien geborsten, die Fensterrahmen teilweise herausgesprengt worden. Glasscherben, Klimageräte, ein Kühlschrank, zahlreiche Elektrogeräte lagen auf der Straße. 30 Minuten hindurch krachten immer wieder Fassadenteile in die Tiefe.

Der Einsatzleiter der Feuerwehr sprach als Zeuge von einem “sehr intensiven, großen, flächendeckenden Brand“, der sich an mehreren Brandstellen gleichzeitig entwickelt habe. Der dritte Stock des Hauses sei im Vollbrand gestanden. Selbst Fenster der gegenüberliegenden Gebäude seien zu Bruch gegangen. Er sei seit elf Jahren bei der Feuerwehr: “Das war ein Bild, das man nicht so schnell vergisst.” Es habe sich um eine “sehr zeitintensive Einsatzarbeit” gehandelt: “Die Brandbekämpfung war sehr schwierig. Das ganze Haus war zu evakuieren.” 50 Personen seien mit Fluchtfiltermasken aus dem Haus gebracht worden. Unter einem Schuttkegel habe man schließlich die tote junge Frau gefunden, die an der englischen Elite-Universität Oxford ihren Master gemacht und bereits eine Arbeitsplatzzusage in der Tasche hatte.

Verhandlung wird forgesetzt

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dabei wird Gerichtsmediziner Christian Reiter sein Gutachten zum Ableben der 23-Jährigen präsentieren. Mehrere Hausbewohner sollen als Zeugen das Erlebte schildern. Dem Angeklagten, dem Brandstiftung mit Todesfolge und nicht Mord vorgeworfen wird – nach Ansicht der Anklagebehörde lässt sich der Tötungsvorsatz nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisen – drohen fünf bis 15 Jahre Haft. Staatsanwalt Leopold Bien hat bereits in seinem Eröffnungsplädoyer die maximale Ausschöpfung des Strafrahmens gefordert: “Es gibt keinen Anlass, von der Höchststrafe abzuweichen.”

(APA)

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