AA

Fall Natascha Kampusch: Endbericht von Experten-Team am Montag präsentiert

Was wird der Endbericht im Fall Kampusch ergeben?
Was wird der Endbericht im Fall Kampusch ergeben? ©AP
Die erneute Überprüfung des Entführungsfalles Natascha Kampusch ist nun offiziell abgeschlossen: Wie Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Freitag sagte, wird das Ergebnis am Montag den Abgeordneten des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Nationalrats übergeben. Wir haben den Überblick über offene Fragen und die Chronologie zum Fall.
Cold Case-Überprüfung fast fertig
Evaluierung bald abgeschlossen
FBI-Spezialisten in Wien
Kampusch über Film-Bio

Erst nach der Präsentation des Endberichts im Fall Kampusch wird dieses auch öffentlich kommuniziert. Inhaltlich werde man bis Montag aber keinerlei Auskünfte bzw. inhaltliche Stellungnahme geben, unterstrich das Ministerium in der Causa Kampusch.

Cold Case-Management im Fall Kampusch

Der Bericht wird den Abgeordneten des parlamentarischen U-Ausschuss übergeben werden, auf dessen Empfehlung hin die Causa noch einmal neu aufgerollt worden ist. Kursierende Berichte, denen zufolge auch die neuerliche Überprüfung zu dem Ergebnis kam, dass Wolfgang Priklopil ein Einzeltäter gewesen ist, wollte man nicht kommentieren. Seit Mitte Juli 2012 beschäftigten sich eigens dafür abgestellte Cold-Case-Spezialisten damit, Ungereimtheiten und Ermittlungspannen in der Causa erneut zu überprüfen. Den Ermittlern wurde völlige Akteneinsicht gewährt. Selbst dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss waren bestimmte Akte, wie etwa die erste Einvernahme von Natascha Kampusch, nicht übermittelt worden.

Zusammenstellung des Ermittlungsteams

Das neue Team bestand aus einer 14 Mann starken operativen Gruppe und einem siebenköpfigen Lenkungsausschuss, der bei entscheidenden neuen Ermittlungsergebnissen hinzugezogen werden konnte. Dem Ausschuss wurden auch Spezialisten aus dem Ausland – wie etwa Beamte des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) und des FBI – zugezogen. Bei den Ermittlern aus Österreich wurde darauf geachtet, dass sie zwar die entsprechende Kompetenzen aufweisen, aber noch niemals in den Fall Kampusch eingebunden waren.

Offene Fragen in der Causa

Das neuerliche Aufrollen des Falles bedeutete allerdings von Anfang nicht, dass die offenen Fragen restlos geklärt werden können. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Ermittlungen erneut zum dem Ergebnis kommen könnten, dass es zwar dubiose Personen und Widersprüche in der Causa gibt, aber dies für ein neuerliches Verfahren nicht ausreicht.

Kampusch war 1998 als Zehnjährige von Priklopil entführt worden und konnte im Sommer 2006 aus der Gefangenschaft flüchten. Priklopil beging daraufhin Selbstmord. Immer wieder gab es in dem Fall Gerüchte über mögliche Mittäter.

Folgend eine Übersicht über die wichtigsten strittigen Punkten. – Kampusch hat bei ihren Einvernahmen stets von einem Täter gesprochen. Dem entgegen steht eine Zeugenaussage einer im Jahr 1998 zwölf Jahre alten Schülerin, die gesehen haben will, dass Kampusch von zwei Person gekidnappt wurde: Während ein Mann Kampusch ins Auto zerrte, saß ein zweiter hinter dem Steuer.

– Eine Beamtin hielt in einer Aktennotiz fest, Kampusch habe nach ihrer Selbstbefreiung auf die Frage nach Mittätern geantwortet, sie könne “keine Namen nennen”.

– Nach der Entführung fuhr Priklopil nicht unmittelbar zu seinem Haus mit dem Verlies, sondern zu einem Waldstück. Dort telefonierte er und erklärte Kampusch dann, dass “die anderen” nicht kommen würden.

– Warum erfolgte die Entführung am 2. März 1998, obwohl zu diesem Zeitpunkt das “Verlies” noch nicht gänzlich fertiggestellt war?

– Dubios ist auch die Rolle des ehemals besten Freund von Priklopil, Ernst H., der im Zuge der Ermittlungen seine Aussagen grundlegend geändert hat. Anfangs hatte er behauptet, nichts von der Entführung gewusst zu haben. Am Tage der Selbstbefreiung von Kampusch habe Priklopil ihn gebeten, ihn vom Donauzentrum in Wien abzuholen, da er in angetrunkenem Zustand einer Polizeikontrolle davon gerast sei. Als später die Polizei bei ihrer Suche nach Priklopil zu der Veranstaltungshalle von H. gekommen ist, hatte dieser auf die Frage, wo Priklopil sein könnte, mit dem bemerkenswerten Satz “Hat er se umgebracht?” geantwortet. Später änderte H. seine Aussage dahingehend, dass der Entführer im Auto eine umfassende Lebensbeichte abgelegt hatte, wodurch auch etwaiges Insiderwissen erklärbar wäre.

– Fraglich war auch eine Geldüberweisung von 500.000 Schilling (rund 36.300 Euro) von H. an Priklopil rund um den Zeitpunkt der Entführung. Nachdem die ursprüngliche Version, dass H. seinem Freund das Geld für ein Auto geliehen hatte, nicht schlüssig war, hatte H. auch hier seine Version geändert. Es sei Schwarzgeld aus Wohnungsverkäufen gewesen, das er am Finanzamt vorbeischleusen wollte.

– Im Zuge einer Pressekonferenz legte H. einen Zettel mit dem Wort “Mama” vor und behauptete, dies wäre eine Art Abschiedsbrief gewesen. Gutachten ergaben allerdings, dass die Schrift nicht mit jener von Priklopil übereinstimmte.

Chronologie der Ereignisse im Detail

– 2. März 1998: Die zehn Jahre alte Natascha Kampusch verschwindet in der Früh auf dem Weg in die Volksschule in Wien-Floridsdorf. Ihre Eltern alarmieren am Abend die Polizei.

– 3. März 1998: Eine Schülerin erzählt der Polizei, dass sie beobachtet hat, dass Kampusch in einen weißen Bus mit Gänserndorfer Kennzeichen gezerrt worden ist.

– 6. April 1998: Wolfgang Priklopil wird in Strasshof von Ermittlern aufgesucht. Er besitzt einen weißen Lieferwagen.

– 14. April 1998: Ein Hundeführer der Wiener Polizei macht das Sicherheitsbüro erneut auf den Verdächtigen in Strasshof aufmerksam. Dem Hinweis wird nicht nachgegangen.

– 23. August 2006: In Strasshof (NÖ) kann sich Kampusch selbst befreien. Ihr Entführer, der 44-jährige Priklopil, wirft sich in Wien vor einen Zug und stirbt.

– Februar 2008: Innenminister Günther Platter (V) setzt ein Evaluierungskommission in der Causa ein, welcher der ehemalige Verfassungsgerichtshof-Präsident Ludwig Adamovich vorsteht.

– 23. Oktober 2008: Der Fall Kampusch wird neu aufgerollt. Ermittler sollen sich noch einmal damit auseinandersetzten.

– 8. Jänner 2010: Der Akt wird wieder geschlossen: Polizei und Staatsanwaltschaft sind überzeugt, dass Priklopil keine Komplizen bzw. Mitwisser hatte. Ein Freund des Entführers, Ernst H., wird allerdings wegen Begünstigung angeklagt. Er soll unmittelbar nach Kampuschs Entkommen von der Entführung erfahren und Priklopil bei der Flucht geholfen haben.

– 2. November 2010: Neue Ermittlungen gegen fünf in den Fall Kampusch involvierte Staatsanwälte wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs in Innsbruck werden bekannt – darunter der Leiter der Wiener Oberststaatsanwaltschaft, Werner Pleischl, und der Leiter der Staatsanwaltschaft Graz und ehemaliger Sonderermittler in der Causa Kampusch, Thomas Mühlbacher. Basis ist eine Sachverhaltsmitteilung des früheren OGH-Präsidenten Johann Rzeszut an die fünf Klubobleute im Parlament. Rzeszut war Mitglied der Evaluierungskommission.

– 24. November 2011: Das Justizministerium gibt bekannt, dass das Amtsmissbrauchs-Verfahren gegen die fünf Staatsanwälte eingestellt wird.

– 28. Juni 2012: Ein Parlamentsausschuss empfiehlt, die Ermittlungen durch Cold-Case-Spezialisten neuerlich evaluieren zu lassen.

– Juli 2012: Die neuerliche Evaluierung startet.

– 12. April 2013: Es wird bekannt, dass der Endbericht vom Experten-Team am Montag, 15. April, Abgeordneten des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Nationalrats übergeben und anschließend öffentlich kommuniziert werden soll.

(apa/red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Fall Natascha Kampusch: Endbericht von Experten-Team am Montag präsentiert
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen