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Kampusch über Film-Bio "3096 Tage": "Schockiert haben mich Gewaltszenen"

Natascha Kampusch gibt seit kurzer Zeit wieder öffentliche Auftritte
Natascha Kampusch gibt seit kurzer Zeit wieder öffentliche Auftritte ©EPA
Entführungsopfer Natascha Kampusch (25), die sich einige Jahre beinahe vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, steht nun wieder im Rampenlicht. Dank der Premiere ihrer verfilmten Lebensgeschichte unter dem Titel "3096 Tage" am kommenden Montag gibt sie nun wieder Interviews und sprach über den Schock, die ihr angetane Gewalt auf der Leinwand zu sehen, den Bruch ihrer Privatsphäre und ihre Pläne für die Zukunft.
Alles zu "3096 Tage"
Interview mit Jauch
Szenen aus dem Film

In Zukunft könnte sich Natascha Kampusch vorstellen, Psychologie zu studieren. Dies und mehr gab die 25-Jährige anlässlich der bevorstehenden Filmpremiere von “3096 Tage” in einem Interview bekannt.

Über die Entstehung von Buch und Film

APA: Sie hatten sich nach dem Erscheinen Ihrer Autobiografie “3096 Tage” 2010 aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen. Durch Ihre Beteiligung an der Verfilmung des Buches rücken Sie nun wieder wesentlich mehr ins Rampenlicht. Was hat Sie dazu bewogen?

Natascha Kampusch: Solch ein Film muss natürlich auch beworben werden. Und es war bereits vor Erscheinen des Buchs klar, dass ein Film daraus entstehen würde.

APA: War für Sie die Person von Bernd Eichinger als Projektverantwortlicher das ausschlaggebende Argument, die Rechte an Constantin zu verkaufen?

Kampusch: Es war mir wichtig, Vertrauen zu haben. Es gab 2006 bereits ein Angebot einer anderen Filmfirma, die aber eine Art Porno drehen wollte, was nicht in meinem Sinne war. Nach einem Auswahlverfahren sind wir dann auf Constantin und Bernd Eichinger gekommen. Es hat mir dann sehr leidgetan, dass er inmitten unserer Zusammenarbeit verstarb.

APA: Zugleich hatte man als Außenstehender den Eindruck, dass ein klassisches “Alphamännchen” wie Eichinger nicht prädestiniert dafür war, diesen Film und diese Thematik federführend umzusetzen…

Kampusch: Er selbst hatte auch Bedenken, aber er hat sich dann von einer liebevollen, fürsorglichen Seite gezeigt, die auch ich ihm beim ersten Treffen nicht zugetraut hätte. Bei den folgenden Begegnungen war es aber anders und er hat Fragen gestellt wie “Was hätten Sie gerne?”. Unsere Arbeitsatmosphäre war dann sehr entspannt, sehr angenehm. Seine Frau und er waren äußerst nett und haben mir Tonnen von Kuchen kredenzt und mich so gleichsam bestochen, damit ich müde wurde und ihnen Material für den Film geliefert habe. Für ihn war das Ganze sehr wichtig. Er hat es sehr ernst genommen. Es sollte nochmals ein Meisterwerk werden.

Zur Authentizität von “3096 Tage”

APA: Wie groß war Ihr Einfluss auf das Drehbuch. Gab es Bereiche, bei denen Sie ein Votum eingelegt haben?

Kampusch: Durchaus, etwa was das behutsame Zeigen der Sexualität innerhalb der Gefangenschaft anbelangt. Da war mein Wunsch, der auch respektiert wurde, dass es nicht ausufert oder kitschig wird. Mir war auch wichtig, das Ganze nicht zu einem Gewaltfilm zu machen. Das haben auch die Filmemacher so gesehen.

APA: Sie haben im Vorjahr das Filmset in München besucht. War es einfach interessant, einmal ein Filmstudio aus der Nähe zu sehen, oder war es auch eine tiefere, persönliche Erfahrung?

Kampusch: Beides. Es gab einen sehr starken Wiedererkennungswert, vor allem beim Verlies. Abseits der Emotionen fand ich aber auch den Bühnenbildner so beeindruckend, weil er alles detailgetreu wiederaufgebaut hat. Alles war eine Nuance anders, aber vom Gefühl her ähnlich, wenn man das Set betrat. Ich glaube, von Bernd Eichinger ging die Liebe zum Detail aus. Sherry Hormann hat sich hingegen mehr darum bemüht, die emotionale, psychologische Seite des Ganzen zu thematisieren. Deshalb war es ursprünglich schon Eichingers Wunsch gewesen, sie einzubinden, weil er vermeinte, die weibliche Sicht nicht einbringen zu können.

APA: Ist der Film für Sie authentisch – nicht im Bezug auf die baulichen Gegebenheiten, sondern im Bezug auf Ihre Gefühlslage?

Kampusch: Nicht ganz. Es sind kleine Dinge, die für die Gesamterzählung nicht relevant sind, aber für mich eine Unstimmigkeit hineinbringen. Es ist wie ein Paralleluniversum, das fast ident ist, aber doch nicht vollständig.

Zu Gewalt und sexuellem Missbrauch

APA: Sie können den Film dadurch distanzierter betrachten?

Kampusch: Was mich sehr schockiert hat, sind die Gewaltszenen. Ich habe das, als ich es persönlich erlebt habe, als Teil von mir wahrgenommen. Wenn man hingegen von außen sieht, wie jemand gequält wird, ist das schrecklich. Ich habe mich selbst in einer machtvolleren Position gesehen, als ich mich im Film von außenstehend betrachte.

APA: Trifft der Film die beinahe nüchterne Tonalität Ihres Buches?

Kampusch: Es war beabsichtigt und ist gelungen. Es gibt natürlich Unterschiede, wenn ich Dinge im Buch ausgespart habe, die im Film gezeigt werden mussten, damit das Ganze stimmiger ist.

APA: Die Frage des sexuellen Missbrauchs haben Sie einst mit Verweis auf Ihre Intimsphäre explizit ausgespart, im Film wird dieser explizit gezeigt. War das etwas, das Sie nicht verhindern konnten?

Kampusch: Dass dieser Film entstanden ist, nachdem dem Parlament meine Vernehmungsprotokolle zugänglich gemacht wurde, hat vieles verändert. Meine Privatsphäre war da schon ausgehebelt worden. Es war zwischenzeitlich öffentliches Thema. Überdies ist es etwas anderes, es in einem Buch selbst zu schreiben und damit auszusprechen oder von Schauspielerin erzählen zu lassen.

APA: Der Film ist auf Englisch gedreht worden, was anfangs nicht geplant war. Finden Sie die Entscheidung richtig?

Kampusch: Am Anfang war ich dagegen, da ich dachte, es sei wichtig, dass die österreichische Atmosphäre eingefangen wird, in der solch ein Verbrechen entstehen kann. Mittlerweile bin ich froh darüber, weil es mir ein wenig Luft zum Atmen lässt und ich ein wenig Abstand habe. Es ist etwas, das überall passieren kann.

Die Pläne von Natascha Kampusch

APA: Sie werden am Montag (25. Februar) bei der offiziellen Premiere des Films in Wien dabei sein. Fühlen Sie sich wohl am Roten Teppich?

Kampusch: Nein, ich denke nicht. Teppiche stauben so (lacht).

APA: Irgendwann wird der Rummel um die Filmpremieren abgeebbt sein. Welche Pläne für die Zukunft haben Sie?

Kampusch: Ich versuche immer, mir Pläne für die Zukunft zu machen. Ich möchte die Matura nachholen – auch wenn es für mich kein wirkliches Nachholen ist. Und dann möchte ich vielleicht Psychologie studieren und weitere Hilfsprojekte starten. Irgendetwas muss der Mensch doch mit sich und seiner Zeit anfangen.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

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