Zwischen Leben und Tod

Dornbirn/Schloss Primmersdorf. Die Faszination, die ein Ei auf den Menschen ausüben kann, ist schon im antiken Griechenland bekannt. Dort wird ein Straußenei als Grabbeigabe mit dem Glauben an die Wiedergeburt nach dem Tod in Verbindung gebracht. Davon zeugt ein Exponat im Archäologischen Museum in Heraklion auf Kreta, welches auf das achte bis frühe siebte Jahrhundert vor Christus datiert ist. Bis heute hat das Ei als Urform des Lebens nichts an seiner Anziehungskraft verloren.
Das Ei in der Kunst
Es verwundert nicht, dass sich Künstler mit dem Ei und ihren Überlegungen dazu auseinandersetzen, schon lange bevor Angelo Roventa mit der Gestaltung des Grabmals einer verstorbenen Freundin beauftragt wird. Von Hieronymus Bosch ist das Werk von 1561 „Konzert im Ei“ bekannt, Salvador Dalis surrealistisches Bild aus dem Jahr 1937 beschäftigt sich mit der „Metamorphose des Narziß“, während sich Jeff Koons „Cracked Egg“ (1994-2006) mit glänzender Oberfläche so präsentiert, als hätte es gerade jemand aufgebrochen. Angelo Roventa konzipiert sein „Ei Nr. 1 christine“ im Jahr 2013 als Plastik (72 Zentimeter hoch und 116,5 Zentimeter lang) aus weißem Carrara-Marmor. Sie liegt auf einer mit Weizen bewachsen Fläche eines Grabmals auf dem Friedhof Zistersdorf in Niederösterreich.
Dass das Ei zwischen Leben und Tod viele Assoziationen hervorrufe, entspreche dem Wunsch des Künstlers, dass die Menschen mit den von ihm geschaffenen Objekten in Interaktion treten. Mit seinen Werken Peter + Paula in Andelsbuch, Bregenzerwald oder mit round72 in Bregenz, verbindet Roventa in seinen Arbeiten Städtebau, Architektur, Kunst und Design zum Gesamtkunstwerk.
Das Zeitgeschehen im Fokus
Konkret beschäftigt sich Angelo Roventa mit den Krisen der Gegenwart wie Hunger, Krieg, Migration, Klimawandel oder Ungleichheit. Mit seiner Kunst will er berühren, aufrütteln und vor allem verbinden. Im festen Glauben daran, dass Architektur, Kunst und Kultur etwas verändern können, sieht er seine Arbeiten als Appell an die Menschen, sich als Betrachtende oder Kunstschaffende aktiv einzubringen.
2022 greift Roventa die Eiform wieder auf. Ein weiß gekalktes Ei aus Vollholz wird als Zeichen für den Frieden am Karsamstag in den Baumkreis round72 gelegt und begleitet die Auktion 72pieces, eine online Versteigerung von 72 Kunstwerken zugunsten von Kriegsflüchtlingen. Ei Nr. 3 ist aus schuppenartig angeordneten Aluminiumschindeln gefertigt und erinnert an Little Boy, die erste Atombombe 1945 in Hiroshima. Es steht für das Böse und Dunkle im Menschen, für den Krieg. Die Größe der Ei-Plastik bleibt gleich, Material und Farbe ändern sich. Nr. 4 (steht für den achtsamen Umgang mit unserem fragilen Lebensraum), Nr. 5 und Nr. 6 befinden sich in Privatbesitz/Kunstsammlung in Schnepfau, Bregenzerwald und Heiligenkreuz, Burgenland. Ei Nr. 7 besteht aus ungefärbtem Beton und ist 1000 Kilogramm schwer. Es ist derzeit in der Ausstellung „Engergieberater“ in der Galerie Kubus auf Schloss Primmersdorf in Niederösterreich zu sehen.
Der Künstler
Angelo Roventa (geboren 1956) lebt in Wien und Vorarlberg. Er ist seit 1985 als selbstständiger Architekt und Künstler tätig. Roventas Projekte und Ausstellungen wurden vielfach international ausgezeichnet. Nach Auftragsarbeiten in Österreich, Rumänien und in der Schweiz widmet er sich nun zusehends künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum.