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Zweifel an Begründung des Irak-Krieges

Die USA und Großbritannien geraten zunehmend in Kritik, weil es auch knapp zwei Monate nach Ende des Irak-Kriegs noch keine Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen gibt.

Die Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen galten als wichtiger Kriegsgrund. In den USA sprachen Verteidigungsexperten von einem „Glaubwürdigkeitsproblem“ der Regierung. Der britische Premier Tony Blair muss wegen anhaltender Zweifel an seiner Rechtfertigung des Irak-Kriegs mit einer parlamentarischen Untersuchung rechnen. Der Labour-Abgeordnete Tony Wright sagte dem Rundfunksender BBC am Dienstag, er halte eine offizielle Untersuchung für „nahezu unvermeidlich“. Blair wird vorgeworfen, er habe die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen dramatisch übertrieben.

Die Zweifel an der Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen erhielten am Montagabend neue Nahrung durch den Abschlussbericht der UN-Waffeninspektoren. Nach Angaben von Chefinspektor Hans Blix gab es keine Beweise, dass Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Es habe aber zahlreiche Hinweise auf chemische und biologische Waffen gegeben, schrieb Blix in dem Bericht für den Weltsicherheitsrat. Blix warf den USA und Großbritannien indirekt vor, dass sie die Arbeit der Inspektoren behindert hätten. Den Inspektoren habe die Zeit gefehlt, späte Hinweise der irakischen Regierung zu überprüfen.

Wright sagt im BBC: „Ich glaube, die jüngste Enwicklung legt nahe, dass die Regierung nicht korrekt vorgegangen ist, was die Informationen betrifft.“ In Großbritannien konzentriert sich die Kritik auf ein im September veröffentlichtes Regierungsdossier, in dem es hieß, Irak könne chemische und biologische Waffen binnen 45 Minuten einsetzen. Über 50 Labour-Abgeordnete haben einen Antrag unterzeichnet, der die Veröffentlichung von Belegen für das Dossier fordert. Dasselbe verlangt die konservative Opposition. Für eine förmliche Untersuchung der Vorwürfe gegen Blair gibt es allerdings noch keine sichere Mehrheit im Parlament. Einzig die kleine Liberaldemokratische Partei hat sich klar dafür ausgesprochen.

Die Debatte um die Rechtfertigung des Kriegs war am Wochenende neu entbrannt, als der stellvertretende amerikanische Verteidigungsministers Paul Wolfowitz erklärte, die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen sei nur nach außen als zentraler Grund für den Krieg dargestellt worden. Die ehemalige britische Entwicklungshilfeministerin Clare Short warf Blair daraufhin vor, das Kabinett in der Frage des Kriegsgrunds systematisch hinters Licht geführt zu haben.

Zwischen den von den USA vor dem Krieg zitierten Geheimdienstinformationen über angebliche Waffenprogramme und dem, was bisher gefunden worden sei, sei ein sehr großer Unterschied, sagte der ehemalige Leiter der Gegenspionage beim US-Geheimdienst CIA, Vincent Cannistraro. „Es ist offensichtlich, dass ihre Glaubwürdigkeit darunter leidet, besonders in der internationalen Arena.“ Auch der Verteidigungsexperte John Pike von der Organisation Global Security sprach von einem „Glaubwürdigkeitsproblem“. Entweder es tauche ein irakischer Ingenieur auf, der die US-Ermittler zu einem Waffenlager führe – oder „wir müssen ganz von vorne anfangen…“

US-Außenminister Colin Powell verteidigte die Argumentation der Regierung. Jeder wisse, dass Irak Massenvernichtungswaffen besitze, sagte er dem US-Fernsehsender ABC in einem am Montag ausgestrahlten Gespräch, daran gebe es „keinen Zweifel“. Die gegenwärtigen Zweifel und Anschuldigungen würden sich „zu gegebener Zeit“ als unzutreffend erweisen. „Unsere Glaubwürdigkeit ist unbeschadet“, betonte Powell. Die US-Regierung hatte ihren Feldzug gegen Irak vor allem damit begründet, dass für die Welt unmittelbar die Gefahr bestehe, Bagdad könne Massenvernichtungswaffen einsetzen.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich im Streit um die ausbleibenden Beweise für Iraks verbotene Waffenprogramme zurückhaltend. Er könne „beim besten Willen nicht“ sagen, ob im Irak noch Massenvernichtungswaffen gefunden würden oder nicht, „denn ich verfüge schlicht nicht über die Informationen“, sagte er zum Abschluss des G-8-Gipfels im französischen Evian. „Aber ich finde, dass wir jetzt keinen Prozess des Verdächtigens beginnen sollen.“

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