“Zwei Tage, eine Nacht” (“Deux jours, une nuit”) lief in Cannes im Wettbewerb, hat am Montag und Mittwoch bei der Viennale sein Erstantreten in Österreich und startet am Freitag (31. Oktober) regulär in den österreichischen Kinos. Der Film erzählt von einer kapitalistischen Gesellschaft, die zur Kannibalisierung ihrer geringsten Mitglieder tendiert. Das Ultimatum der Firmenleitung eines mittelständischen Solartechnik-Betriebs an die 16 Mitarbeiter, entweder Solidarität zu zeigen und Verzicht zu üben oder zu akzeptieren, dass eine Kollegin hinausgeworfen wird, ist zynisch und menschenverachtend. Sandra nimmt den Kampf dennoch an.
Kurzinhalt zu: “Zwei Tage, eine Nacht”
Die Dardennes zeigen jedoch keine Heldin der Arbeiterklasse, und Cotillard unternimmt in ihrem überzeugend geerdeten Spiel auch nichts, sich von ihrer heroischen Seite zu zeigen. Im Gegenteil. Ihre Sandra ist kein Kämpfertyp. Ihre Depressionen, die sie lange außer Gefecht gesetzt haben, machen ihr weiterhin zu schaffen, immer wieder flüchtet sie sich entweder zum Pillenschrank oder ins Bett. Doch ihr Ehemann Manu (Fabrizio Rongione) ist zwar verständnisvoll, aber auch hartnäckig genug, sie immer wieder zurück auf das Feld zu schicken.
Noch ist nichts verloren. Eine erste Abstimmung, bei der die Kollegen für ihre Bonuszahlung votierten, wurde annulliert. Ein Wochenende ist Zeit, die Stimmung umzudrehen. Also zieht Sandra von Haus zu Haus und versucht im persönlichen Gespräch ihre Kollegen davon zu überzeugen, dass ihre Existenz auf dem Spiel steht.
Kritik zum Film
Man darf sich nichts vormachen: Das ist nicht lustig. Auch für die Kinozuschauer nicht. Und die Dardenne-Brüder unternehmen nichts, den Film spritziger oder lockerer zu gestalten. Auch feine Differenzierung ist nicht ihre Sache. Die Dramaturgie ist streng und archaisch: Arbeitskampf Aug um Aug, Adresse um Adresse. Das Anliegen ist stets dasselbe. Die Argumentation auch. Abwechslung bringt nur das jeweilige Gegenüber, das meist einen guten Grund hat, auf die erhofften, ja meist bereits fix eingeplanten 1.000 Euro nicht verzichten zu können: Schulden und Schulgeld, Hausumbau, dringende Anschaffungen oder die reinen Lebenshaltungskosten.
Natürlich spielen sich in den Begegnungen wahre Dramen ab. Wer erfährt schon gerne unmittelbar, wie wenig er jenen wert ist, mit denen er ständig zu tun hat? Wie wenig belastbar alltägliche Arbeitsbeziehungen sind? Wie sehr scheinbare Freundschaften doch bloß freundlich überspielte Gleichgültigkeit sind? Sandra stellt sich der Situation, diskutiert aber kaum und überredet nicht. Am Ende hat sie sich aber durchgebissen und alle auf ihrer Liste abgehakt. Am Ende hat sie jedenfalls zumindest eines gewonnen: Selbstbewusstsein.