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Zitterpartie für Österreich

Das Transittreffen am Silvestertag könnte zur Zitterpartie werden. Unsicher ist, ob es bei einer Sperrminderheit von fünf Ländern gegen den Kompromissvorschlag bleibt.

Griechenland gilt als „Wackelkandidat“, wie am Montag EU-Diplomaten und EU-Kommissionskreise übereinstimmend bestätigten. Schlägt sich Athen auf die Seite der Befürworter, muss Wien hinnehmen, von einer qualifizierten Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten überstimmt zu werden.

Ohnehin befindet sich Österreich in einer „Unheiligen Allianz“ mit den anderen Gegnern. Zwar sprachen sich die stellvertretenden EU-Botschafter Italiens, Belgiens und der Niederlande Freitag Nacht gemeinsam mit Österreich gegen das letzte dänische Angebot aus, allerdings aus genau entgegengesetzten Gründen wie Wien. Sie lehnten die vorgeschlagene Absenkung der Ökopunkte innerhalb einer bestimmten Bandbreite für die Jahre 2005 und 2006 als zu stark ab, während Österreich offenbar noch mehr Zugeständnisse herausholen möchte. Griechenland soll sich laut EU-Kommissionskreisen während der mitternächtlichen Sitzung der Stimme enthalten, später aber ebenfalls Ablehnung signalisiert haben. Mittlerweile heißt es, Griechenland „schwanke“.

Die Dänen hatten sich in ihrem letzten Kompromissvorschlag bemüht, sowohl auf die österreichischen Sorgen vor einer unkontrollierten Schwerverkehrslawine, als auch auf die Bedenken der „Frächternationen“ Rücksicht zu nehmen, die auf freie Fahrt über den Brenner drängen. Allerdings ist der zuletzt ausgeklügelte Vorschlag äußerst kompliziert: 2004 sollen die Ökopunkte für Transitfahrten unverändert gegenüber 2003 bei 40 Prozent des Ausgangsniveaus von 1991 belassen werden. 2005 soll dann für die Vergabe der Punkte eine Bandbreite zwischen 39 und 38 Prozent und 2006 zwischen 38 und 34 Prozent eingeführt werden, wie aus dem der APA vorliegenden Text hervorgeht. Österreich lehnte namens Verkehrsminister Mathias Reichhold zuletzt diese Bandbreiten ab. Man müsse davon ausgehen, dass realistischerweise die für Österreich schlechteste Variante herauskommen würde, womit „die Ökobilanz für Österreich nicht mehr stimmen“ würde.
Die „sauberen“ Lkw der neuen Euro-4-Norm, die ab 2005 auf den Autobahnen rollen werden, sollen gänzlich von den Ökopunkten befreit werden, während die „Dreckschleudern“ der Euro-0 Kategorie dann überhaupt nicht mehr durch Österreich fahren dürfen. Eine Ausnahme soll griechischen und portugiesischen Lkw dieser Kategorie zugestanden werden. Deutschland soll für die Hörbranz-Strecke in Vorarlberg zusätzliche Ökopunkte erhalten und verzichtet im Gegenzug auf die Forderung nach völliger Befreiung.

Wie viele Ökopunkte tatsächlich 2005 und 2006 vergeben werden, soll von der Anzahl der Lkw der Euro-4-Norm abhängig gemacht werden, die dann unterwegs sein werden. Die EU-Kommission soll jedes Jahr „mit Hilfe eines unabhängigen Experten“ die Zahl der tatsächlich durch Österreich durchfahrenden Euro-4-Lkw aus anderen EU-Staaten ermitteln. Auf dieser Grundlage sollen dann die Ökopunkte entweder erhöht oder abgesenkt werden. Das hieße etwa, dass die Zahl der Ökopunkte bei einem starken Anstieg der Fahrten von Euro-4-LKW als Ausgleich für den Mehrverkehr auf 34 Prozent verringert werden könnte. Kommen nicht genügend „saubere“ LKW auf die Straße, müsste Österreich dagegen mehr Ökopunkte vergeben, maximal 39 Prozent im ersten und 38 Prozent im zweiten Jahr der Verlängerung des Transitvertrages. Die Ökopunkte sollen weiterhin flächendeckend für das ganze Bundesgebiet gelten.

Dänische Diplomaten sprachen am Montag von einem „fairen und flexiblen“ Kompromiss. Dies gehe schon daraus hervor, dass er einigen Ländern zu weit und Österreich nicht weit genug gehe. Man liege also genau „in der Mitte“. Noch vor wenigen Monaten wäre ein solches Entgegenkommen gegenüber Wien „undenkbar“ gewesen. „Was lässt Österreich hoffen, dass dieses Angebot in den kommenden Monaten noch weiter verbessert wird?“ fragen EU-Diplomaten.

Die Frage ist berechtigt, denn nach Dänemark übernimmt Griechenland das EU-Steuer in der ersten Jahreshälfte 2003, ihm folgt Italien, das zu den hartnäckigsten Verfechtern einer völligen Abschaffung des Ökopunktesystems zählt. Bei der Aushandlung des EU-Beitritts war Österreich eine Verlängerung des seinerzeit im EWR ausgehandelten Transitvertrages bis maximal Ende 2003 zugestanden worden. Jetzt hat diese Übergangsregelung, die an sich dem EU-Gebot des freien Warenverkehrs widerspricht, immerhin die Chance, bis zur Verabschiedung einer neuen umweltgerechteren Wegekosten-Richtlinie nochmals maximal um drei Jahre gestreckt zu werden.

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