Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft anerkannt
Das teilte der Sprecher von Kultusministerin Claudia Schmied (S) am Donnerstag mit. Die entsprechende Verordnung sei unterzeichnet, in ein bis zwei Tagen werde diese im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, hieß es gegenüber der APA. Die Zeugen Jehovas mit über 20.000 Anhängern kämpfen schon seit 1978 für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft.
Die Anerkennung bringt den Zeugen Jehovas etwa den Vorteil, mit klarem Rechtsstatus offen auftreten zu können, heißt es in deren Begründung für das Ansuchen. Weiters hat die Religionsgemeinschaft zukünftig das Recht, Religionsunterricht an Schulen anzubieten. Laut einer Aussendung des Ministeriums werden die Zeugen Jehovas davon aber aus organisatorischen Gründen vorerst keinen Gebrauch machen.
Für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft muss die Gruppe außerdem mindestens 20 Jahre bestehen, davon zehn als Bekenntnisgemeinschaft, sowie mindestens 16.000 Mitglieder aufweisen. Auch eine “positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft” ist Voraussetzung, weiters dürfen Geldmittel nur für religiöse und mildtätige Zwecke verwendet werden. All diese Faktoren werden von den Zeugen Jehovas erfüllt, hieß es seitens des Ministeriums.Grundlage der Lehre der Zeugen Jehovas ist der aus der Bibel abgeleitete “Plan Gottes mit der Menschheit”. Dem “allmächtigen Gott und Schöpfer” Jehova oder Jahwe, sind seine Zeugen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Als “wahre Christen” müssen sie Zeugnis für ihren Gott ablegen und die Botschaft von seinem Königreich predigen.
Bekannt sind die Zeugen Jehovas vor allem wegen ihrer stark ausgeprägten Missionstätigkeit, bei der sie von Haus zu Haus ziehen und ihre Zeitschriften “Der Wachtturm” und “Erwachet!” an den Mann bringen wollen. Finanziert werden die Zeugen Jehovas mit – nach eigenen Angaben freiwilligen – Spenden.
Der Glaube greift in allen Bereichen stark in das Leben der Anhänger ein. So ist es beispielsweise laut der offiziellen Website “www.watchtower.org” nicht erlaubt, zu rauchen: “Es mag einem sehr schwer fallen, diese Gewohnheiten aufzugeben. Aber um Jehova zu gefallen, muss man es tun”. Aufmerksamkeit erregen die Zeugen Jehovas auch medial immer wieder wegen der Ablehnung von Bluttransfusionen, was mitunter lebensbedrohlich sein kann.
Gegründet wurde die Gemeinschaft von dem US-Amerikaner Charles Taze Russell Ende des 19. Jahrhunderts als Verlagsgesellschaft der Bibelforscher. 1911 kam Russell erstmals für einen Vortrag nach Wien. Regelmäßige Vorträge gab es ab 1921, ein Jahr später wurde die Tätigkeit auf andere österreichische Städte ausgedehnt.
Im Jahr 1938 gab es in Österreich 550 aktive Zeugen Jehovas. Wegen der Verweigerung des Hitlergrußes und des Wehrdienstes kam es zu Verfolgungen durch das Hitler-Regime, etwa ein Viertel der Anhänger der Glaubensgemeinschaft wurde getötet. Nach dem Krieg nahmen die Zeugen Jehovas ihre organisierte Tätigkeit wieder auf.
Den ersten Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft stellten die Zeugen Jehovas 1978. Mehrere Anträgen folgten und scheiterten. Alle innerstaatlichen Rechtsmittel verhalfen der Gemeinschaft nicht zum Erfolg, weshalb sie eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einbrachte. Im Juli des Vorjahres entschieden die Richter, dass die österreichischen Behörden die in der Menschenrechtskonvention festgeschriebene Religionsfreiheit verletzt haben.
1998 wurde den Zeugen Jehovas der Status einer Bekenntnisgemeinschaft zuerkannt. Am Donnerstag hat Kultusministerin Claudia Schmied (S) schließlich eine Verordnung zur Anerkennung als staatliche Religionsgemeinschaft unterzeichnet.