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Zehn Jahre nach Haiders Tod: Was blieb von seinem politischen Erbe?

Was blieb vom politischen Erbe Haiders?
Was blieb vom politischen Erbe Haiders? ©AP
Vor zehn Jahren, am 11. Oktober 2008, ist der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider mit seinem Auto in den Tod gerast. Von seinem politischen Erbe ist - außer Schulden des Landes - nicht viel übriggeblieben.
Hier wird das Unfallauto "versteckt"
Tödlicher Unfall von Jörg Haider
Jörg Haider und sein Porsche
Saif Gaddafi und Jörg Haider

Seine damaligen politischen Mitstreiter mussten der Reihe nach vor Gericht und das von ihm aus der Taufe gehobene BZÖ “Bündnis Zukunft Österreich” ist auch bereits Vergangenheit.

Haider verstarb an Unfallstelle

Mit 1,8 Promille hatte sich Haider damals ans Steuer seines VW Phaeton gesetzt, um spätnachts ins Bärental zu fahren, wo die Familie am nächsten Tag den 90. Geburtstag seiner Mutter feiern wollte. Mit weit überhöhter Geschwindigkeit – der Tacho blieb nach dem Crash bei 142 km/h stecken – kam er von der Loiblpass-Bundesstraße ab. Das Fahrzeug überschlug sich mehrmals, die Unfallspur zog sich über 150 Meter, bis das Auto schließlich völlig zerstört quer zur Fahrbahn zum Stillstand kam. Haider war sofort tot, auch wenn die Leiche noch mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht wurde.

Petzner übernahm im Bund, Dörfler im Land

Die Nachfolge wurde in Land und Partei, dem BZÖ, wenige Stunden nach Bekanntwerden des tödlichen Unfalls geregelt. Gerhard Dörfler übernahm die Funktion des Landeshauptmannes, Uwe Scheuch den Parteivorsitz. Haiders Büroleiter Harald Dobernig rückte zum Landesrat auf. Pressesprecher Stefan Petzner sollte das BZÖ auf Bundesebene übernehmen, die Partei hatte zwei Wochen davor bei der Nationalratswahl 10,7 Prozent und 21 Mandate erreicht. Petzners Ära als Parteichef dauerte allerdings gerade einmal fünf Wochen, dann warf er das Handtuch.

Skandale ließen Partei abstürzen

Dörfler gewann die Landtagswahl im Frühjahr 2009, die ganz im Zeichen des toten Haider stand. Scheuch führte das BZÖ zurück zur FPÖ und kurzfristig schien für die Haider-Nachfolger alles bestens. Doch dann krachte es in der Hypo Alpe-Adria-Bank, die von Haider mit Landeshaftungen jenseits der 20-Milliarden-Grenze gepusht worden war. Die Hypo-Pleite wurde zum Riesenskandal, die Landespolitik verlagerte sich teilweise in den Gerichtssaal und 2013 wurde die freiheitliche Regierungsmannschaft von der Wählerschaft davongejagt. Von 45 Prozent 2009 stürzte die Partei auf unter 17 Prozent ab. Die Verantwortlichen der Hypo wanderten großteils ins Gefängnis, Dörfler, Scheuch und Dobernig mussten ebenso wie Petzner vor den Kadi. Die Aufarbeitung der Ära ist noch immer nicht abgeschlossen, Hypo-Prozesse gibt es weiterhin und gegen Dörfler wird ermittelt.

Verschwörungstheorien machten die Runde

Von der Regierungsmannschaft der Ära Dörfler ist heute nur noch Christian Ragger politisch tätig. Der Rechtsanwalt sitzt für die FPÖ im Nationalrat und arbeitet wieder als Rechtsanwalt. Dazu lagert er Haiders Unfallwrack irgendwo im Lavanttal. Es wurde damals vom BZÖ um 40.000 Euro gekauft, dazu wurden Gerüchte verbreitet, am Auto sei manipuliert worden. Die Verschwörungstheorien um Haiders Tod sind im Lauf der Zeit verblasst, an seiner Gedenkstätte in Lambichl südlich von Klagenfurt brennen auch kaum noch Kerzen und die Freiheitlichen vermeiden es inzwischen tunlichst, sich im politischen Alltag auf ihren einstigen Übervater zu berufen.

Kärnten-Konkurs konnte abgewendet werden

Der Regierung unter dem seit 2013 als Landeshauptmann fungierenden Sozialdemokraten Peter Kaiser ist es gelungen, das Damoklesschwert der Landeshaftungen für die inzwischen in Abwicklung befindliche Bank loszuwerden. Dafür musste das Land zwar tief in die Kasse greifen – 1,2 Milliarden Euro waren zu berappen – doch scheinen diese Schulden bewältigbar und allemal weniger schlimm als ein Konkurs des Landes, der 2016 ein realistisches Szenario darstellte.

Politische Normalität in Österreichs südlichstem Bundesland

In Kärnten ist politische Normalität eingekehrt, Kaiser stellte sich im Frühjahr der Wiederwahl und gewann noch einmal kräftig dazu. Die Grünen flogen aus dem Landtag und die SPÖ regiert seither mit der ÖVP in einer Koalitionsregierung, der die Oppositionsparteien nicht mehr angehören, weil der Proporz abgeschafft wurde. Dass das Kärntner BZÖ, das in Form einiger Funktionäre auf Kommunalebene noch existiert, vor einigen Tagen in einer Aussendung forderte, den Neuen Platz in Klagenfurt in Jörg-Haider-Platz umzubenennen, sorgte nicht einmal mehr für Aufregung, sondern wurde von der Öffentlichkeit völlig ignoriert.

Haider hat für Experten Polit-Kommunikation grundlegend verändert

Jörg Haider hat nach Meinung von Politologen und Meinungsforschern die Art der politischen Kommunikation im Land stark verändert. Der vor zehn Jahren verstorbene Ex-FPÖ-Chef und BZÖ-Gründer habe die Professionalisierung in diesem Bereich nach Österreich gebracht, sagte Politikwissenschafter Peter Filzmaier im Gespräch mit der APA. Gescheitert sei er schlussendlich am Wechsel in die Regierungsrolle.

“Diskurs in hohem Maße bestimmt”

Haider, der vor zehn Jahren, am 11. Oktober 2008, als Kärntner Landeshauptmann mit seinem Auto in den Tod gerast war, habe erkannt, dass emotionale Elemente und das Suchen von Konflikten wichtige Hilfsmittel von öffentlichkeitswirksamer Kommunikation waren, meint auch Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM). “Sicherlich hat Haider (…) – beginnend vor 30 Jahren – den politischen Diskurs in hohen Maße bestimmt und im wesentlichen die kritische Distanz der Wählerschaft zum politischen traditionellen Parteiensystem de facto begründet. Vorher gab es keine wirkliche Opposition”, sagte Bachmayer.

Hoher Professionalisierungsgrad

Filzmaier verwies im Gespräch mit der APA auf den hohen Professionalisierungsgrad, den Haider kommunikationstechnisch in die heimische Innenpolitik gebracht habe. Zunächst habe er die enttäuschten Wähler aus dem bürgerlichen Lager ansprechen können, später auch die Angestellten mit kleinerem Einkommen wie auch die Arbeiterschicht, bei denen zuvor alleine die SPÖ den Vertretungsanspruch gehabt habe.

US-Wahlkämpfe als Vorbild

Der Polit-Wissenschafter hob zudem die aus US-Wahlkämpfen übernommenen Strategien Haiders hervor, wie die großen Inszenierungen mit pompöser Musik-Unterstützung (z.B. mit der Europe-Hymne ” ́The Final Countdown”) beim Einzug in Veranstaltungshallen. Auch das berühmte “Taferl” sei nicht Haiders Erfindung gewesen, sondern habe er aus den USA übernommen. In der strategischen Planung und der medialen Inszenierung sei Haider sowohl SPÖ wie auch ÖVP “um Jahre voraus gewesen”. Zwar hätte eine derartige Modernisierung der politischen Kommunikation früher oder später auf jeden Fall stattgefunden, Haider aber sei in diesem Bereich der Vorreiter in Österreich gewesen.

Politische Kultur verändert

Die heimische politische Kultur hat Haider damit auf jeden Fall verändert, befand Filzmaier. Es sei eine Entwicklung weg vom Stammtisch hin zu lokalen Veranstaltungen passiert. Haider sei von Veranstaltung zu Veranstaltung gereist, habe sich dazu mehrmals umgezogen und sich den jeweiligen Gegebenheiten angepasst.

“Populismen” von Haider vereint

Zudem habe Haider Rechts- und Linkspopulismus miteinander kombiniert, wenngleich er natürlich seine Wurzeln im Rechtspopulismus gehabt habe. Bei sozialen Themen bespielte er die linkspopulistische Klaviatur, “natürlich nur für die ‘eigenen Leute'”, wie der Politologe anmerkt. Bei Zuwanderer- und Sicherheitsfragen aber befand sich Haider klar im rechtspopulistischen Spektrum. Und er habe auch seine Wurzeln (Haiders Eltern waren NSDAP-Anhänger) bedient, meinte Filzmaier. Diese Taktik habe er aber gut variiert, als er merkte, dass er damit anstand.

ORF-Studiogespräch über Jörg Haider und den Rechtspopulismus

Experte: Haider sorgte für “Kulturbruch”

Für den Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) hat Haider den Rechtspopulismus zwar nicht erfunden, dies habe schon Karl Lueger (der Zuwanderergruppen gegeneinander ausspielte und offen antisemitisch agitierte, Anm.) getan. Aber Haider habe für einen “Kulturbruch” in der Zweiten Republik gesorgt, indem er aus dem Korsett der “Kompromissdemokratie” – bestehend aus verschiedenen Säulen wie etwa den Sozialpartnern – ausgebrochen sei. “Das hat er aufgebrochen”, so Hajek. Mit Haider habe es keine Kompromisse gegeben, zumindest bis zur Regierungsbeteiligung unter Schwarz-Blau I (ab dem Jahr 2000) nicht, so der Meinungsforscher. “Er hat dieses ganz spezielle sozialpartnerschaftliche Proporzsystem angegriffen”, weil er gemerkt habe, dass dieses System “nicht mehr nur Befürworter hat”.

Diese Befund teilt auch Filzmaier: Haider habe es erkannt, dass die Logik des politischen Systems der Jahre 1945/1950, der Proporz, irgendwann nicht mehr zeitgemäß war. Er habe es geschafft, den zunehmenden Ruf nach einer Systemveränderung in Stimmen für die FPÖ zu kanalisieren. Auch für Bachmayer waren die Veränderung der politischen Kommunikation und die Angriffe auf die etablierte Politik das Maßgebliche unter Haider.

SPÖ in “Bewegungslosigkeit” gedrängt

Bachmayer verwies auch auf eine Auswirkung auf die SPÖ: Diese habe sich – zur Zeit, als es schon “Abflachungserscheinungen” des “sozialdemokratischen Jahrhunderts” gegeben habe – durch den Aufstieg Haiders auf eine “relative bequeme, lange Zeit funktionierende Position zurückgezogen”, indem sie sich über die Gegnerschaft zu Haiders Rechtspopulismus definiert habe. Damit habe die Sozialdemokratie aber politische Positionsveränderungen verschlafen, vor allem in der Migrationsfrage, meinte Bachmayer. Den Beginn dieser Tendenz sieht er in der Ausgrenzungspolitik Franz Vranitzkys gegenüber der FPÖ begründet – und diese habe innerhalb der SPÖ “zu einer ideologischen Bewegungslosigkeit” geführt, “die heute der Sozialdemokratie in Österreich und ganz Europa auf den Kopf fällt”.

Daran scheiterte Haider politisch

Gescheitert sei Haider letztlich strategisch am Wechsel in die Regierungsrolle, so Filzmaier. “Und natürlich auch daran, dass die Populismen an Grenzen stoßen”, das Land Kärnten sei irgendwann pleite gewesen. Hier zeige sich auch ein deutlicher Unterschied zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Während Haider an der Regierungsbeteiligung gescheitert ist, habe Strache das erste Jahr in der türkis-blauen Koalition “ganz gut überstanden”.

Hajek: Haider war “on the long run” nicht erfolgreich

Auch Hajek sieht letztendlich kein erfolgreiches Wirken Haiders: “Bei aller Prägung, die Jörg Haider der politischen Landschaft mitgegeben hat in den 30 Jahren seines Wirkens: On the long run war es nicht erfolgreich”, verwies er auf die Beinahe-Pleite Kärntens, “von Korruption und Nepotismus ganz zu schweigen”. 2002 habe sich Haider “selbst aus der Regierung gesprengt” und damit die Hoffnungen der Wähler enttäuscht. Dem Anspruch, ein verlässlicher Politiker zu sein, sei er “schlicht und ergreifend nicht gerecht geworden”, so Hajek.

Heutige FPÖ berechenbarer

Die heutige FPÖ würde sich vor allem “in der persönlich bedingten höhere Berechenbarkeit der jetzigen Parteispitze” von der Haider-FPÖ unterscheiden, so Bachmayer. Auch für Hajek ist Strache “in seiner politischen Ausrichtung viel stringenter”.

FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache zu Jörg Haider

(APA/Red.)

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