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Yasser Arafat starb fernab der Heimat

Die Umstände waren bitter für die Palästinenser: Ihr Präsident Yasser Arafat starb mit 75 Jahren am Donnerstag nach schwerer Erkrankung in Paris, fernab der Heimat, für die er Jahrzehnte gekämpft hatte.   

Ein Militärkrankenhaus bei Paris markierte die letzte Station eines widersprüchlichen Lebens: Der Mann hatte die Welt schockiert, als er 1974 mit umgeschnalltem Pistolenhalfter in die UNO-Vollversammlung marschierte. Nur 20 Jahre später feierte ihn die Welt – Arafat erhielt den Friedensnobelpreis. Zuletzt war die einstige Ikone des revolutionären Befreiungskampfes ein Gedemütigter: Seit Dezember 2001 hielt ihn die israelische Armee in Hausarrest, wie ein politischer Eremit hauste er in seinem halb zerstörten Amtssitz in Ramallah.

Die Erfüllung seines größten Traums blieb Arafat verwehrt: die Schaffung eines eigenen Staates für die Palästinenser. In den vergangenen Jahren ging es für Arafat nur noch ums reine Überleben, politisch wie physisch. Die Regierung von Ministerpräsident Ariel Sharon drohte im vergangenen Jahr, ihn notfalls mit Gewalt ins Exil zu befördern oder zu töten. „Die Israelis können mich mit ihren Bomben töten, ich werde nicht weichen“, erwiderte Arafat trotzig.

Auch US-Präsident George W. Bush sah in ihm seit langem keinen Verhandlungspartner mehr. Unter Bushs Vorgänger Bill Clinton unterzeichnete Arafat noch auf dem Rasen vor dem Weißen Haus in Washington das Osloer Friedensabkommen und reichte dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin die Hand. Ein Jahr später erhielten Arafat, Rabin und Israels Außenminister Shimon Peres den Friedensnobelpreis.

Eine umstrittene Preisvergabe, denn über Jahrzehnte hatte Arafat der Gewalt gehuldigt. Geboren im August 1929 in Kairo, stieß er mit 17 Jahren zu den bewaffneten Palästinensergruppen, die gegen einen jüdischen Staat im Nahen Osten kämpften. 1948 zog der kleingewachsene junge Mann in den ersten arabisch-israelischen Krieg. Nach dem Ingenieursstudium in Kairo gründete er 1959 in Kuwait die Fatah-Organisation, die sich den bewaffneten Kampf gegen Israel auf die Fahnen schrieb. Zehn Jahre später ließ er sich an die Spitze der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) wählen. Arafats Odyssee durch den Nahen Osten ging auch danach weiter. Aus Jordanien wurde er 1970 ebenso vertrieben wie 1982 auch dem Libanon. Bis 1994 residierte er in Tunis, dem Sitz der PLO.

Seinem Ziel, dem Palästinenserstaat, aber kam er erst näher, nachdem er seine Taktik geändert hatte. Ein Strategiewechsel, der klar kalkulierte Gründe hatte: Arafats militärische Optionen schwanden in den 80er Jahren. 1987 begann die erste Intifada in den Palästinensergebieten. Der Aufstand war lokal geschürt und gesteuert – Arafat und seiner PLO drohte die Kontrolle über den Widerstand zu entgleiten. Arafat schwor 1988 öffentlich dem Terrorismus ab und erkannte das Existenzrecht Israels an.

Das Ergebnis waren unter anderem die Geheimverhandlungen von Oslo und das Abkommen von 1993, das den Palästinensern eine Autonomieverwaltung zugestand. Arafat kehrte 1994 in einem Triumphzug in die Palästinensergebiete zurück, 1996 wurde er zum Präsidenten gewählt. Doch zugleich rückte der Frieden wieder weit in die Ferne. Rabin wurde 1995 von einem jüdischen Extremisten erschossen. Der Versuch, im Jahr 2000 in Camp David ein endgültiges Friedensabkommen zu erreichen, scheiterte. Auch, weil Arafat die weitgehenden Zugeständnisse des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak ablehnte. Wenig später begann die zweite Intifada.

Arafat und die Autonomiebehörde wurden weiter isoliert. Von seinen politischen Träumen ließ er aber auch in den bitteren letzten Jahren nicht ab. „Oh Berg, der Wind wird dich nicht ins Wanken bringen“, sagte er stets gerne zu seinen Gesprächspartnern.

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